Berlinale Filmkritik: „Kumiko, the Treasure Hunter“ von David Zellner


Die Schatzsuche Kumikos beginnt mit einer alten alte VHS-Kassette. Foto: Berlinale

Die Schatzsuche Kumikos beginnt mit einer alten alte VHS-Kassette. Foto: Berlinale

Neue Spuren im Schnee

Es gibt sie, die Kino-Geschichten, die sich gleich eingangs das Prädikat ´Wahrheit´ auf die Leinwand schreiben. „Nach einer wahren Begebenheit“ oder „based on a true story“ nennt sich das dann. Viele Filme müssen das gar nicht – Historienepen oder Biopics etwa. Geschichtsbücher, Chronisten und Popkultur bezeugen ohnehin, dass es das alles schon mal gegeben hat. Andere Filme, die sich an Mythen und urbanen Legenden abarbeiten, nutzen diese authentizitätsversichernden Worte als clevere Marketingstrategie. Nichts ist schließlich spannender als die Wahrheit! Selbst wenn es eigentlich die Unwahrheit ist. Man denke an „The Blair Witch Project„, damals, 1999.

Drei Jahre zuvor, 1996, kamen schon die Coen-Brüder auf eine ähnliche Idee. Hier prangt das Wahrheits-Warnschild auf dem ersten Filmbild von „Fargo„. Aber auch das stimmt nicht, wie die beiden Brüder hinterher in einem Interview einräumten. Oder etwa doch?  Kumiko, eine junge Japanerin mit einem undankbaren Sekretärinnen-Job, glaubt nicht nur an den Mythos, sie lebt ihn auch. Zu Beginn ihres Abenteuers findet sie in einer Höhle eine alte VHS-Kassette des Films. Das Band ist bereits zerschlissen, aber eindeutig lässt sich immer noch erkennen: Irgendwo in Minnesota hat Carl Showalter einen Aktenkoffer voll Geld im Schnee vergraben. Geld, das Kumiko dringend braucht, um vor ihrem Tyrannen-Chef und vor ihrer Mutter zu fliehen, für die sie nur eine herbe Enttäuschung ist. Es gilt einen Schatz zu finden, der ein besseres Leben verspricht.

Wenn es einen sozialphilosophischen Kern in David Zellners „Kumiko, the Treasure Hunter“ gibt, dann ist es wohl dieser: Menschen, die mit ihrem Leben unglücklich sind, würden alles tun, um sich davon zu befreien. Selbst wenn dies bedeutet, dem Mythos einer amerikanischen Crime-Story zu erliegen. Schnee und Bitterkälte, erhebliche Sprachbarrieren und die eigene Orientierungslosigkeit in einer völlig fremden Kultur sind dann zwar noch Argumente, aber keine Hinderungsgründe. Am Flughafen von Minneapolis wird Kumiko von den eingeblendeten Worten „The New World“ empfangen.

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