„Risse im Beton“ von Umut Daǧ


"Risse im Beton": Der 35-jährige Ertan wird nach zehn Jahren Gefängnisaufenthalt endlich entlassen und beschließt, sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Foto: Berlinale

„Risse im Beton“: Der 35-jährige Ertan wird nach zehn Jahren Gefängnisaufenthalt endlich entlassen und beschließt, sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Foto: Berlinale

Kämpfen gegen das Verrohen

Zwischen Schämen und Fremdschämen besteht auch beim Filmeschauen ein großer Unterschied. Wer sich im Kino fremdschämt, nimmt dem Film seine Geschichte nicht ab. Peinliche Dialoge, unpassende Wendepunkte im Plot oder hölzerne Figuren sorgen dann für ein Gefühl, als hätte man nachts versehentlich in die Wiederholung der gefakten Realitysoaps von RTL reingezappt. Nur, dass man leider nicht umschalten kann. Doch manchmal gibt es auch Filme, bei denen die Scham auf einen selbst zurückfällt. Man schämt sich, weil man es sich eigentlich nicht erlauben kann, über das Gesehene zu urteilen. Weil der harte Alltag der Figuren so weit von der eigenen Lebenswirklichkeit entfernt ist. Und weil man intuitiv spürt, dass das Geschehen auf der Leinwand für manch anderen die bittere Realität bedeutet.

Zu den Filmen mit Fremdschämpotenzial zählen aus den genannten Gründen – und das ist freilich eine sehr subjektive Einschätzung – zum Beispiel „Dealer“ und  „Im Schatten“ von Thomas Arslan. Ein Film, der hingegen die Selbstscham heraufbeschwört, ist „Risse im Beton“ von Umut Daǧ, der nun bei der Berlinale seine Premiere erlebt. Der Vergleich ist bei Weitem nicht zufällig gewählt, denn Umut Daǧs zweiter Langspielfilm ist im Grunde eine thematische Verschmelzung der beiden benannten Arslan-Filme: Migration und Kriminalität, Drogenhandel, eine zehrende Knastvergangenheit und eine Zukunft, die wohlmöglich niemals geschrieben wird. Mit dem feinen Unterschied: „Risse im Beton“ ist glaubwürdiger inszeniert.

Der 35-jährige Ertan wird nach zehn Jahren Gefängnisaufenthalt endlich entlassen und beschließt, sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen und seinen Sohn Mikael aufzuspüren, der über den Verbleib seines Vaters jahrelang im Unklaren gelassen wurde. Mikael, inzwischen 15 Jahre alt, bewegt sich als Drogendealer durch die Wiener Unterwelt und ist auf dem besten Weg, dieselben verhängnisvollen Lebensentscheidungen seines Vaters zu treffen. Eine bessere Zukunft bietet der naive Traum vom Durchbruch als Gangsterrapper, für den der Junge einem korrupten Bekannten immer wieder neue Geldmittel zuschieben muss.

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