„Restless“ von Gus van Sant


Filmszene: "Restless"

Filmszene: "Restless"

Dem Tod entgegen

In schöner Regelmäßigkeit sorgt der amerikanische Regisseur Gus van Sant seit über 20 Jahren für Filmperlen, die zwischen Indie, Arthouse und Mainstream pendeln und nicht selten als Meisterwerke geadelt werden. Sein Schaffen, mit Meilensteinen wie „Drugstore Cowboy“ (1989), „Good Will Hunting“ (1997), „Elephant“ (2003) oder „Paranoid Park“ (2007) leben von einer ganz besonderen Gabe: Dem unbestechlichen Gespür van Sants für Heranwachsende und das was diese bewegt. Dieses Coming-Of-Age ist auch Thema bei „Restless„, der in diesem Jahr beim Filmfest in Cannes Un Certain Regard, die wichtigste Nebenreihe eröffnete.

Restless“ fügt sich perfekt in die Reihe dieser van Sant-Werke ein. Während einer Trauerfeier entdeckt Annabel (bezaubernd: Mia Wasikowska) in den hinteren Reihen Enoch (überzeugend gespielt von Henry Hopper, dem Sohn des kürzlich verstorbenen Dennis Hopper), der nicht so recht in die Gesellschaft passt und ihr aber zunächst ausweicht. Als sich die beiden wenig später bei einer Beerdigung wieder über den Weg laufen, lernen sich die beiden Sonderlinge, die sich auf Bestattungen fremder Menschen rumdrücken, bald näher kennen.

Wie sich herausstellt, zwingt das Schicksal beide – trotz ihrer Jugend – sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Enoch verlor bei einem Autounfall seine Familie und auch beinahe das eigene Leben. Ob er froh sein soll doch noch aus dem Koma erwacht zu sein, weiß er nicht so recht. Der einzige, dem er sich anvertraut, ist sein imaginärer Freund Hiroshi, ein japanischen Kamikaze-Pilot, der zwischen den Welten festhängt und mit Enoch Schiffe versenken spielt. Bis Annabel mit ihrer unbändigen Freude an unbedeutend scheinenden Dingen sein Dasein verändert. Doch die ansteckend glückliche junge Frau sieht ihrem Tod entgegen. Ihr Tumor lässt keine Behandlung mehr zu. In einer ersten entscheidenden Szene von „Restless“ schließen die beiden den Pakt, dass Enoch sie auf ihren letzten Wegen begleitet.

Die große Leistung van Sants besteht darin, dass er aus diesem Setting kein dunkles, tränen-geschwängertes Melodram strickt, sondern im Gegenteil, eine Hymne auf das Leben und die Liebe singt. Der Verlockung, ins allzu Kitschige zu driften, widersteht er recht konsequent und persifliert die Falle sogar mit einer inszenierten Sterbeszene von Annabel, die diese aber abbricht, weil ihr ein solcher Abgang zu sehr zu wider wäre. Am Ende bleibt ein bewegendes, grandios herbstlich bebildertes Drama, mit tollen Jungschauspielern, das nachwirkt, aber seine Zuschauer in der Tradition von „Harold and Maude“ mit einem Lächeln entlässt.

Denis Demmerle

Restless“ 91 min; USA 2011, Regie: Gus van Sant, Darsteller: Mia Wasikowska , Henry Hopper, Schuyler Fisk, Ryo Kase, Kinostart: 13. Oktober