Berlinale Filmkritik: „Güeros“ von Alonso Ruizpalacio


Regisseur Alonso Ruizpalacio schildert das Lebensgefühl einer heranwachsenden Generation. Foto: Berlinale

Regisseur Alonso Ruizpalacio schildert das Lebensgefühl einer heranwachsenden Generation. Foto: Berlinale

Schwarz—weiß

Bemerkenswert viele Produktionen auf der diesjährigen Berlinale – durch alle Sektionen hinweg – spielen mit Form und Format des Mediums. Zahlreiche Regisseure zeigten ihre Filme stilbewusst im Retroschick. Häufig dabei der quadratähnliche 4:3 Bildausschnitt, das Format, das in seiner Ästhetik an die Stummfilmära erinnert. Darunter „Man of the Crowd„, „Violet“ und der mexikanische Panoramabeitrag „Güeros„. Letztgenannter, ein in schwarz-weiß gedrehter und großartig ironischer Arthousestreifen bekam dann auch den mit 50.000 Euro dotierten GWFF-Preis für das beste Erstlingswerk.

Alonso Ruizpalacio stürzt sich neben der Formatfrage in seinem Spielfilmdebüt ganz auf das Konzept Schwarz-weiß, inhaltlich wie stilistisch. Selbstironisch nimmt er sich dabei oft selbst aufs Korn und erklärt unter anderem die heute in schwarz-weiß gedrehten Filme zum klischeehaften Kunstmittel „in denen mexikanische Regisseure immer nur die schlechten Zustände beklagen“. So gibt es im Film neben zahlreichen erheiternden Plattitüden auch einen Running Gag, der alle naselang die ungleiche Hautfarbe zweier Brüder kommentiert. Und nicht zuletzt ist der Titel „Güeros“ selbst – eine Art mexikanisches Schimpfwort für Hellhäutige oder Blonde bzw. für eine europäisch aussehende privilegierte Schicht – ganz Ironie.

In der Hoffnung, ein männliches Vorbild könnte ihrem Sohn Tomás (Sebastián Aguirre) besser dessen Flausen austreiben, schickt seine Mutter ihn zu seinem Bruder Fede (Tenoch Huerta) nach Mexiko City. Doch der hat sein Leben selbst nicht im Griff. Fede – der in Anspielung auf seine Hautfarbe auch Sombra (Schatten) genannt wird – lebt mit seinem Mitbewohner Santos (Leonardo Ortizgris) im Plattenbau. Die zwei Studenten befinden sich gerade im Streik vom Streik, den Studentenprotesten an der UNAM, die 1999 die Stadt beherrschen, und üben sich im Müßiggang. Herrlich humorvoll in langen Einstellungen am Küchentisch oder auf der Couch vor dem Fernseher sitzend, erzählt. Sie richten sich nach den äußeren Umständen, denn Strom gibt es eigentlich keinen, da die Rechnungen ewig nicht beglichen wurden. Nur weil Sombra über ein Bechertelefon Kontakt zum Nachbarskind pflegt, erhalten sie hin und wieder Strom aus der Nachbarswohnung. Der Deal: Geschichten gegen das Hauptstromkabel. Wird der Strom abgestellt, wird halt geschlafen. Schließlich gibt es aber doch einen Plan. Er heißt: Den Mann finden, der einst Bob Dylan zum Weinen brachte, die Musiklegende Epigmenio Cruz.

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