„Her“ von Spike Jonze


Joaquin Phoenix als Theodore Twombly in der rosarot-gefärbten Zukunftsvision "Her" von Spike Jonze. Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures

Joaquin Phoenix als Theodore Twombly in der rosarot-gefärbten Zukunftsvision „Her“ von Spike Jonze. Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures

Tyrannei der Intimität

Ende der 70er Jahre beschrieb der US-Soziologe Richard Sennett in seinem Buch „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität“ den historischen Prozess vom öffentlichen zum privaten Menschen und dessen Folgen, wie die Vereinsamung. Schon 40 Jahre später hat sich dank des technischen Fortschritts und sogenannter Neuer Medien der Rückzug ins Private zur selbst erwählten Isolation entwickelt. Technische Hilfsmittel navigieren nicht nur Autos unabhängig vom Orientierungssinn des Fahrers, sondern erlauben auch, Partnerschaften in absurden Entfernungen zu führen. Online-Datingbörsen, Facebook, Skype und all die andern „sozialen Netzwerke“ oder technischen Dienste sprengen geografische Grenzen und ermöglichen den Kontakt, trotz fehlender physisch-realer Erfahrungsräume. Und ganz nebenbei definieren und erweitern sie Begriffe wie Freundschaft oder Beziehung gänzlich neu. Scheinbar problemlos und fast spielerisch überwinden so Nähe und Intimität im dritten Jahrtausend ihr natürliches Gegenteil, die Distanz. World Wide Web, Smartphone und Co. machen’s möglich. Spike Jonzes „Her“ ist die Beschreibung exakt dieses Paradoxons von Distanz und Nähe.

L.A. in naher Zukunft: Eine helle, saubere und sonnige Stadtutopie aus Wolkenkratzern, Designappartements, Strand, U-Bahn und Brücken. Stimmungsaufhellendes, farbiges Fensterglas dominiert die Gebäudefassaden, weshalb düstere Stimmungen es schwer haben, sich hier einzunisten – und Autos sucht man vergebens. Die lassen sich allenfalls auf unter den Brücken liegenden unsichtbaren Highways vermuten. Zu hören und zu sehen sind sie nicht. Voller Menschen ist die Stadt, doch jeder lebt ein Inseldasein. Bis auf wenige Ausnahmen nimmt im Grunde niemand sein physisch real existierendes Gegenüber mehr wahr, weder in der U-Bahn, noch auf der Straße oder im Fahrstuhl. Verbunden durch einen Knopf im Ohr scheinen hier alle – ähnlich der heutigen Generation Smartphonetropf – in Gespräche mit unsichtbaren Dritten, das Abarbeiten von To-Do-Listen, Mailverkehr und jede andere erdenklich virtuelle Bespaßung oder Beschäftigung verwickelt zu sein.

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