„Philomena“ von Stephen Frears


Journalist Martin (Steve Coogan) und Philomena (Judi Dench) freunden sich trotz aller Gegensätze an. © SquareOne/ Universum

Journalist Martin (Steve Coogan) und Philomena (Judi Dench) freunden sich trotz aller Gegensätze an. © SquareOne/ Universum

Unmenschliches und allzu menschliches

Based on a true story“ kündigt der Vorspann von Stephen Frears’ „Philomena“ an. Eine Aussage, die Interesse daran weckt inwiefern die realen Ereignisse auf angemessene Weise filmisch aufbereitet werden. Basierend auf dem Buch „The Lost Child of Philomena Lee“ des Journalisten Martin Sixsmith bietet der Film viel Potential für eine filmische Rekonstruktion: Martin Sixsmith (Steve Coogan), ehemals Regierungsberater und BBC-Journalist, bekommt auf einer Feier von Philomena Lees Tochter vorgeschlagen, einen Artikel über ihre Mutter zu verfassen.

Im Jahr 1951 wurde die junge Philomena außerehelich Schwanger und von ihrem Vater in einem katholischen Kloster untergebracht. Nach der Geburt ihres Sohnes Anthony musste sie hart in der Wäscherei schuften und bekam ihr Baby nur selten zu Gesicht. Ohne ihr Mitwissen wurden die Kinder dort gewinnbringend und ohne Zustimmung der Mütter an Adoptiveltern in den USA vermittelt. So geschah dies auch mit Anthony. Zu seinem 50. Geburtstag möchte Philomena ihren Sohn nun wiederfinden.

REINHÖREN: Interview mit Regisseur Stephen Frears über „Philomena“.
© SquareOne/ Universum

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Frears wandte sich in seinem bisherigen filmischen Schaffen weniger komplexen moralischen und politischen Sachverhalten oder dem sozialen Realismus zu. Somit ist zu erwarten, dass er sich als zielgruppenorientierter Regisseur auf die persönlichen und sentimentalen Momente der Geschichte konzentriert. „Philomena“ weiß in erster Linie durch die schauspielerischen Leistungen zu überzeugen. Die Besetzung der Hauptrolle durch Judi Dench wurde überaus passend gewählt, da sie die Rolle der verletzlichen und naiven, aber auch entschlossenen und herzlichen irischen Dame überzeugend verkörpert. In den filmischen Rückblicken auf das Schicksal der jugendlichen Philomena (Sophie Kennedy Clark) in den 50er Jahren mag dies allerdings weniger gut funktionieren. Ihr Schicksal wird nur knapp und aufs wesentliche reduziert dargestellt, wodurch der Zuschauer aufgrund der mangelnden Exposition keine direkte Verbindung zu dem Charakter aufbauen kann. Steve Coogan ist in seiner Rolle als Martin Sixsmith in seinem Element und präsentiert sie als gediegene Variation seines Alter Ego Alan Partridge. Er verleiht Sixsmith seinen unverkennbaren Charme zwischen augenscheinlicher Unsicherheit, vorsätzlicher Arroganz und zwischenmenschlichem Ungeschick, welche auf unterhaltsame Weise mit einem Augenzwinkern wiedergegeben werden.

Sixsmith verabscheut die ihm vorgeschlagene „Human Interest“ Geschichte, wie er unmissverständlich klarmacht: „Human Interest ist ein Euphemismus für Geschichten über verletzliche, willensschwache und ignorante Menschen, welche die Seiten von Magazinen füllen, die von verletzlichen, willensschwachen und ignoranten Menschen gelesen werden.“ Als er jedoch von einem Boulevardmagazin das Angebot zur Finanzierung der Recherche bekommt, stimmt er widerwillig zu.

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