„Philomena“ von Stephen Frears



Bei ihrem ersten Besuch im Kloster erfahren die gutgläubige und einfach gestrickte Philomena und der desinteressierte, aber professionell agierende Journalist, dass sämtliche Unterlagen über den Vorfall angeblich bei einem Brand vernichtet wurden. Einzig das Dokument, auf dem Philomena sämtliche Ansprüche auf das Kind abgelehnt hat, ist noch vorhanden. Ein Hinweis in einem lokalen Pub, dass die belastenden Unterlagen absichtlich in einem Lagerfeuer verbrannt wurden, lässt Sixsmith den Entschluss fassen, mit Philomena nach Washington D.C. zu fliegen, um die Recherche fortzusetzen.

Der Stolz und die Würde die Judi Dench ihrer Figur verleiht, werden dabei inhaltlich von dem Film allerdings nicht weiter aufgegriffen. Die brisante Thematik wird zugunsten leichter, komödiantischer Momente zurückgestellt, wenn Philomena in aller Ausführlichkeit die Geschichte ihres Groschenromans erzählt oder in der Video on Demand Liste des Hotels „Big Mama’s Haus“ als sehenswerte Unterhaltung proklamiert.

Judi Dench darf sich über eine Oscar-Nominierung als Beste Hauptdarstellerin freuen. Kollege Coogan über die Nominierung für das Beste adaptierte Drehbuch. © SquareOne/ Universum

Judi Dench darf sich über eine Oscar-Nominierung als Beste Hauptdarstellerin freuen. Kollege Coogan über die Nominierung für das Beste adaptierte Drehbuch. © SquareOne/ Universum

In Washington findet das Duo heraus, dass Anthony unter dem Namen Michael A. Hess als hochrangiger Berater der Republikaner für Reagan und Bush gearbeitet hat. Hess war homosexuell und ist neun Jahre zuvor an AIDS gestorben. In diesen Momenten wird die Tragik der Situation durch die Fokussierung auf den seichten Unterhaltungswert nicht ganz deutlich. Philomena zeigt sich wenig überrascht über die Homosexualität ihres Sohnes. „In seiner Latzhose sieht man doch, dass er nur schwul sein konnte„, teilt sie mit, nachdem sie ein Kinderbild von Anthony betrachtet hat. Diese Momente können zwar für ein Schmunzeln sorgen, allerdings führt dies auch dazu, dass die Zuschauer die Figur nicht ganz ernst nehmen. Frears reduziert Coogans Sixsmith auf einen desinteressierten Reporter ohne eigene Anteilnahme, der sich in einen Gutmenschen mit persönlichem Engagement für den Fall wandelt.

Die schauspielerische Leistung wird in den Dienst einer gefälligen Wohlfühlgeschichte über die Suche nach dem verlorenen Sohn gestellt. Diese kann eine eigenständige, unaufgeregte Spannung entwickeln und die amüsanten Momente funktionieren meistens. Allerdings ist diese leichte und unterhaltsame Buddy-Komödie nicht unbedingt passend, um die thematische Vorlage zu adaptieren. Es mangelt vor allem an einer direkten Herausforderung des Zuschauers zu einem eigenständigen Urteil. Hierdurch beinhaltet „Philomena“ auch die Elemente, die Sixsmith zu Beginn des Films auf aussagekräftig formulierte Weise abgelehnt hat: die einer „Human Interest“-Geschichte.

Henning Koch

Philomena„, Regie: Stephen Frears, Darsteller: Judi Dench, Steve Coogan, Sophie Kennedy Clark, Kinostart: 27.02.14, ab 12. September 2014 auf DVD, Blu-ray und VoD

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