SCHLAF von Michael Venus


Sandra Hüller in SCHLAF von Michael Venus © Salzgeber

„Der Ort, aus dem die Träume sind“

Ein leeres Kurhotel mitten im Nirgendwo. Viel Wald, wenig Menschen. Nur mit der Erholung klappt es hier nicht so ganz.

Stainbach – Zwischen Fichten und Holzhäusern prangt das Sonnenhügel Hotel. Als Flugbegleiterin Marlene (Sandra Hüller) nach wiederkehrenden heftigen Alpträumen den Ort aus ihren Träumen in einer Anzeige entdeckt, fährt sie kurz entschlossen in das Dorf, ohne ihrer Tochter Mona (Gro Swantje Kohlof) davon zu erzählen. Träume, in denen sich Männer einer nach dem anderen umbringen, reißen Marlene seit Jahren aus dem Schlaf.

In Stainbach findet Marlene heraus, dass sich die Serie von Selbstmorden real ereignete. Zu viel für sie. Sie fällt in eine schlafähnliche Schockstarre und wird in eine psychiatrische Klink gebracht. Um die Ursachen ihres Traumas auf den Grund zu kommen, eilt Mona kurz darauf zur Hilfe.

Neben dem verkrampft höflichen Eigentümer-Ehepaar Otto (August Schmölzer) und Lore (Marion Kracht), lernt Mona deren Sohn Christoph (Max Hubacher) kennen. Skeptisch, aber hilfsbereit unterstützt das seltsame Paar Mona bei der Suche nach Antworten. Irgendetwas scheint im Hotel nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Mona sieht Dinge und hört Stimmen, die aus einer unheimlichen liminalen Zwischenwelt kommen.

Michael Venus’ Debütfilm SCHLAF berührt Themen wie Wahrnehmung und Traum rasant und schnittig. Indem die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit im Film, aber auch für den*die Zuschauer*in immer wieder aufgelöst werden oder sich in Monas Wahrnehmung Vergangenheit und Gegenwart überlagern, inszeniert Venus in einem überzeugenden Genre-Mix aus modernem deutschen Heimatfilm und psychologischem Horror Grauen, das unter die Haut geht.

Oft wird der*die Zuschauer*in hinters Licht geführt, indem sich an der manipulierenden Kraft des Träumens abgearbeitet wird: Wunschtraum, Alptraum oder Traum im Traum. Erschreckend reale Träume bringen Mona letztendlich näher zu ihren Fragen. Schritt für Schritt entdeckt sie, dass auch ihre Familie über drei Generationen mit dem Ort verbunden ist.

Direkt ins Knochenmark des Publikums dringen die starken Schauspielleistungen. Gro Swantje Kohlof, Sandra Hüller aber auch August Schmölzer überzeugen mit ihren aus der Rolle fallenden Figuren. Fesselnd facettenreich und fragil spielt Hüller im Krankenhaushemd das Erwachen aus der Schockstarre. Gro, mal taumelnd und gelähmt vor Angst, mal manisch mampfend am Mittagstisch, vermittelt einen unmittelbaren Eindruck von dem düsteren Wahnsinn, in dem sie gefangen ist.

Besonders durch Licht und Farbstimmung gelingt es SCHLAF, das bedrohliche Vakuum um das Familiengeheimnis der Hotelbesitzer zu transportieren. Anhand rot-schwarzen Farbspektren in David Lynch-Ästhetik und einem beklemmenden Szenenbild schafft Venus das im Horrorfilm inflationär dargestellte Hotel mit riesigen, leeren Hallen, dunklen Kellern und gleißenden Treppenräumen unverbraucht zu inszenieren.

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