SCHLAF von Michael Venus


Venus’ Humor entspringt einer ungebändigten Fantasie und feiert das Absurde, wenn Kellnerin Franzi (Martina Schöne-Radunski) Mona lautstark quietschend von einem riesigen Keiler aus ihrem Traum erzählt oder die versammelten Schnaps saufende Dorfbewohner*innen unter fremd eingeflößte Drogen zu Heavy Metal Musik ihren Rausch ausschlafen.

Besonders wirkungsvoll funktioniert der Fleisch-Topos in SCHLAF: Würste werden in Stainbach fast völlereiartig in sich reingeschoben, es wird auf die Jagd gegangen, erlegte Trophäen hängen demonstrativ an der Wand und als Mona auf Lore trifft, zerlegt diese in Schürze geschossenes Wild. Als Eindringling von Außerhalb ist Mona Vegetarierin, mit ihrer Figur wird eine Dichotomie zu den Dorfbewohner*innen kreiert.

Im Lauf des Films serviert Venus dann auch für den*die Zuschauer“in einen tiefen Schock. Venus‘ filmische Inszenierung eines übertriebenen, gefräßigen Fleischkonsums macht eine groteske Analogie auf zum Bösen, manifestiert in Otto. In cholerischen Redeschwallen zeigt dieser eines Abends in einer größenwahnsinnigen Audienz sein wahres Gesicht. Ganz ohne Effekte dringt SCHLAF dann anhand eines rapiden Twists die Welt Kopf stehen.

SCHLAF verspricht gut gemachten Horror, der vom bedrohlichen Sounddesign, dem fast kammerspielartigen Setting und den sehr guten Schauspielleistungen lebt. Die Wahl des Genres – deutscher Heimatfilm gepaart mit Horrorfilm – macht SCHLAF einzigartig. Der irre Genre-Mix transportiert garantiertes Grauen und bringt Licht in dunkle gesellschaftliche Abgründe, die der politischen deutschen Realität im Wachzustand entspringen. Mit seinem Debüt kreiert Venus selten stimmiges deutsches Horror-Kino, das man nach dem Abspann mit nach Hause oder in die Träume nimmt.

Wenke Bruchmüller

SCHLAF, Regie: Michael Venus, Darsteller: Gro Swantje Kohlof, Max Hubacher, Sandra Hüller, August Schmölzer, Kinostart: 29. Oktober 2020

1 2