„The Boy and the World“ von Alê Abreu


Alê Abreu tritt mit "The Boy and the World” (bras. Originaltitel: "O Menino E O Mundo") den Beweis an, dass der Kinderfilm im besten Fall auch ein Erwachsenenfilm ist, und umgekehrt. Foto: HKW

Alê Abreu tritt mit „The Boy and the World” (bras. Originaltitel: „O Menino E O Mundo“) den Beweis an, dass der Kinderfilm im besten Fall auch ein Erwachsenenfilm ist, und umgekehrt. Foto: HKW

Ein kleines, großes Animationswunder

Ein Schelm, wer naive Malerei auch wirklich für naiv hält. Wer einen Farbklecks als einen Farbklecks abstempelt, wenn der doch eindeutig eine Frucht ist – oder gar die Welt. Alê Abreu tritt mit „The Boy and the World“ (bras. Originaltitel: „O Menino E O Mundo„) den Beweis an, dass der Kinderfilm im besten Fall auch ein Erwachsenenfilm ist, und umgekehrt. Die Geschichte beginnt wie der Adoleszenzstoff par excellence: Zwischen Wiesen und Blüten wächst der Junge Cuca auf, wohl behütet, mit ihn und sich liebenden Eltern. Eines Tages verlässt der Vater Mutter und Kind, um mit dem Zug in die Stadt arbeiten zu fahren. Cuca will den Vater finden. Er macht sich allein auf den Weg und für ihn beginnt eine lange Suche, auf der Schicksal viele Wendungen für ihn bereithält. So hilft er einem alten Mann bei der Baumwollernte und wohnt zeitweise bei einem Teppichspinner.

Schon die ersten Minuten des Films verdeutlichen, dass diese Suche schmerzhaft sein wird, dass die Erinnerung, der Cuca so eifrig nachrennt, flüchtig ist und im Grunde uneinholbar. So zum Beispiel die zaghaften Töne, die sein Vater auf der Flöte spielt und die Cuca in einer Dose einfängt, um sie zu vergraben, die ihn immer wieder an neue Orte ziehen, weil sie wie lockende Zurufe als wunderschöne Farbtupfer durch die Luft fliegen. Oder die Szenen des heilen Familienalltags, die Cuca beständig der Realität entreißen. Glück und Unglück liegen bei Abreu nah beieinander: Ein schwarzer, Angst einflössender Zug schlängelt sich über das Papier, nur um dann spurenlos zu verschwinden und Farbkleckse zerstoben, kaum dass sie sich materialisiert haben.

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