Fremde Körper – Filme von Claire Denis im Arsenal


Claire Denis

Die französische Filmemacherin Claire Denis zieht mit ihren eigensinnigen Arbeiten eine autonome Spur durch das zeitgenössische Kino, und das seit über 20 Jahren. Das Arsenal widmet Claire Denis nun vom 1. bis 31. Oktober eine komplette Retrospektive, die neben den Spiel- und Dokumentarfilmen auch ihre kaum bekannten kurzen Arbeiten umfasst. Am 1. und 2. Oktober wird die Regisseurin zu Gast im Arsenal sein. Zur Eröffnung am 1. Oktober wird zudem ihr aktueller Film „White Material“ (2009) als Berlin Premiere gezeigt – für den sie, nach dem Debüt „Chocolat“ (1988) und ihrem bekanntesten Film „Beau Travail“ (1999), wieder nach Afrika zurückkehrte.

Geboren wurde die Claire Denis am 21. April 1948 in Paris. Ihre Kindheit verbringt sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr in Französisch-Westafrika. Eine Zeit, die prägend ist für ihre spätere Arbeit. Nach dem Abitur arbeitet sie als Trainee in einer Firma, die Lehrfilme produziert, entschließt sich aber für ein Studium am Institut des Hautes-Etudes Cinématographique in Paris. Nach Abschluß des Filmstudiums 1972 arbeitet sie für das Theater und für den Film, u.a. als Regieassistentin bei Costas Gavras, Wim Wenders, Jim Jarmusch und Jacques Rivette.

Ihr erster Langfilm „Chocolat“ entsteht 1988. Eine jungen Französin, France, die in Kamerun aufgewachsen ist, kehrt nach 20 Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurück. In langen Rückblenden wird der koloniale Alltag in Kamerun aus der Perspektive der achtjährigen France, die Tochter eines Kolonialbeamten, erzählt: die unerträgliche Hitze, das Warten der Mutter auf die Rückkehr des Vaters, ihr unerfülltes Begehren nach dem schwarzen Hausangestellten Protée. Trotz des Themas ist „Chocolat“ kein nostalgischer Film, da er sich nicht auf die Kolonialzeit beschränkt und Bilder des modernen, postkolonialen Afrikas zeigt.

Das Kino von Claire Denis verhandelt immer wieder Erfahrungen des Fremdseins. In Afrika, in Paris, im Jura, in New York, in der Südsee. Es umkreist Figuren, die am Rande stehen, wortkarge Einzelgänger, Außenseiter, Neuankömmlinge, Heimatlose, Menschen, die sich nicht reibungslos anpassen – Fremde in vielerlei Hinsicht. Ihre Filme erforschen verschiedene Kodierungen von Fremdheit, die Grenze zwischen Eigenem und Fremdem in einer postkolonialen Welt. Doch werden die damit verbundenen Phänomene und Diskurse um Migration, Rassismus, Identitätspolitik, Abhängigkeitsverhältnisse und Überlebenskämpfe bei Claire Denis nie als Thema ausgestellt und plakativ formuliert, sondern sie sind den Körpern der Figuren, die sich in ihren Geschichten bewegen, immanent. Die Verhältnisse werden an den Körpern manifest – ein Kino der Körper.

Claire Denis ästhetisches Projekt, jenseits von erzählerischen Routinen und formalen Standards angesiedelt, ist solitär und erschließt dem Gegenwartskino bis dahin unbekannte, fremde, aufregende Möglichkeiten. Ernsthaft und ohne Larmoyanz erfassen ihre Filme die emotionalen und sozialen Effekte von Rassismus und Kolonialismus. Ihre Filmografie verrät, im Wechsel zwischen Dokumentarfilm und Fiktion, ihre Neugierde, ihren Mut zum Grenzgängerischen.

Martin Daßinnies

Das Programm zum Download!

Fremde Körper – Die Filme von Claire Denis, Kino Arsenal, 1. bis 31. Oktober, www.arsenal-berlin.de