Interview: Mathias Ortmann über das Kino in Singapur


Festival-Kurator Mathias Ortmann

In diesem Jahr legt das Filmfestival Asian Hots Shots Berlin seinen Fokus auf Singapur. Ein cineastisch noch unentdecktes Land, das aber eine reiche Vielfalt an Filmen besitzt. In den letzten Tagen haben wir uns mit dem Festival-Kurator Mathias Ortmann mittels E-Mail-Korrespondens über seine Arbeit beim Festival und die diesjährige Filmauswahl unterhalten.

Seit wann sind sie Kurator des Asian Hot Shots Berlin? Und wie kam es dazu?
Mathias Ortmann: Ich bin gleich bei der ersten Auflage des Festivals dabeigewesen, nachdem ich von den Vorbereitungen für ein neues Independent Film-Festival für Berlin gehört hatte. Das war im Oktober 2007, damals wurde von den Initiatoren eine koreanische Filmreihe veranstaltet. Also schaute ich mir das an und was ich sah, gefiel mir.

Sie sind sicherlich gerade im Streß. So kurz vor dem Festival, was raubt die meiste Zeit?
Ortmann: Das ist wahr, ja. Man bereitet lange Monate alles soweit vor, aber zum Endspurt hin verdichten sich die Prozesse, und es gilt, schnell Entscheidungen zu treffen. Da muß man sich aufeinander verlassen können. Es gibt also die vorhersehbaren Unvorhersehbarkeiten, Dinge, die noch kurz vor Schluß organisiert oder neu gelöst werden müssen. Dabei fällt viel Email-Korrespondenz an, aber im Großen bleiben die Abläufe gleich. Da wir zu unserem diesjährigen Landesschwerpunkt einige Gäste aus Singapur erwarten, so um die 15 Filmemacher, bedeutet das zeitlich den größten Aufwand, denn jeder ist wichtig und darf erwarten, aufmerksam betreut zu werden.

Der Schwerpunkt des Festivals liegt in diesem Jahr auf  Singapur. Was macht dieses Land so spannend? Über die Filmkultur dort weiß man hierzulande recht wenig.
Ortmann: Genau das ist die Herausforderung. Wir wollen genau solche Filme aus dem asiatischen Raum zeigen, die nicht primär auf den großen Festivals gezeigt werden, oder gar regulär im Kinovertrieb erscheinen. Das singapurische Kino ist hierzulande sicher eine Entdeckung wert. Als Marke existiert es so gut wie gar nicht, anders als etwa Kino aus Korea. Sollte es uns gelingen, hier einen Blinden Fleck aufzuzeigen und neue Wege zu bereiten – und zwar in beide Richtungen – dann hätte unser Singapur-Fokus seinen Zweck erfüllt.

Wie kuratieren sie die Festivalbeiträge, bzw. wie läuft das Auswahlverfahren und wo finden sie die Filme?
Ortmann: Nun, der einzelne singapurische Film ist wie jeder andere auch entweder gut oder schlecht, meistens aber liegt er irgendwo dazwischen. Es gilt also, die besten herauszufiltern, etwas Originales zu finden, das entweder von sich aus eine Brücke zu einem westlichen Publikum schlagen kann, oder aber so speziell, so lokal ist, daß es von selbst fasziniert, also etwas im Zuschauer in Bewegung setzen kann. Wenn man dann, so wie wir das in diesem Jahr tun, eine Filmauswahl als Schwerpunkt nimmt, dann muß natürlich dieses Teil-Programm einen eigenen kuratorischen Ansatz verfolgen. Im Falle Singapur war das der Versuch, die Bandbreite des dortigen Kinos in ihrem derzeitigen Stand vorzuführen. Wie bei jedem Festival, so geschieht auch bei uns die Programm-Auswahl im Team der Programmer; da gleichen sich dann teilweise Extrem-Positionen aus und besondere Vorlieben werden gemildert, damit das Resultat nicht einseitig ausfällt. Das wäre am Ende langweilig fürs Publikum. Die Filme selbst gelangen auf zwei Wegen zu uns und günstigstenfalls ins Programm. Der erste ist der über unseren Call for entries, die Aufforderung übers Internet und unsere Website, uns Filme einzureichen. Dann hat aber selbstverständlich jeder Programmer zu seinem jeweiligen Schwerpunk auch noch ein Netzwerk vor Ort, über das ganz essentiell Informationen gewonnen werden und teilweise auch gezielt Filme akquiriert werden. Wenn das gelingt, hat man gute Chancen, ganz frisches, unverbrauchtes Material zeigen zu können. Um das leisten zu können, muß man aber sehr aufmerksam sein, das Geschehen kontinuierlich verfolgen – und hinfahren. Man muß sich vor Ort begeben und den Kontakt zu den Filmschaffenden haben. Schließlich sind die Filme, die wir zeigen wollen, keine Fabrikware, sondern meist sehr individuell und persönlich. Es muß also ein gewisses Vertrauensverhältnis geben zwischen einem Festival als Institution und den Kreativen, die uns ihre Arbeiten anvertrauen sollen. Das braucht viel Zeit.

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