Hermanns: Das Internet ist eine gute Möglichkeit, Kurzfilme zu promoten


Heinz Herrmanns interfilm

Heinz Herrmanns interfilm

Wenige Tage vor Beginn, der 26. Ausgabe des Internationalen Kurzfilmfestivals Berlin befragten wir Festivalleiter Heinz Hermanns zu seinem Festival und dessen Programm und sprachen mit ihm über Kurzfilme und deren Entwicklungschancen.

Herr Hermanns, worauf dürfen sich Kurzfilmfans in den kommenden Tagen freuen?
Heinz Hermanns:
Auf viele spannende Kurzfilme und mit Indien, China und Irland auch tolle Länderschwerpunkte. Auf eine unglaubliche Vielfalt. Viele Animationsfilme, gerade aus China, von denen es viele erstmals zu sehen gibt. Eine Reihe von Filmen, die ähnlich wie Stummfilme, live vertont werden. Einen langen Tag in der Volksbühne, an dem die Gäste vom Roten in den Grünen Salon, durch die ganze Volksbühne, von einer Aktion zur nächsten gehen können.

Zu den Länderschwerpunkten: Habt ihr die chinesischen Filme von der Expo aus Shanghai mitgebracht, wo ihr mit dem Festival zu Gast wart?
Hermanns:
Ich war in Shanghai, aber leider haben sich die Veranstalter vom Filmfestival dort nicht mehr gemeldet. Wahrscheinlich, weil sie ihr Festival gerade hinter sich hatten.Das Programm haben Rolf Giesen, der genau wie ich oft in China ist, und ich gemeinsam gemacht. Ich war an den Animationsfilmschulen, habe Kontakt zum Kultusministerium aufgenommen, die die jungen Animationsfilmer seit dem letzten Jahr unterstützen und mir Sachen zukommen ließen. Das war Recherche vor Ort.

Wie steht es um Indien?
Hermanns:
Indien ist recht schwierig, dort gibt es nicht so viel. In Irland wiederum ist es schwierig, weil es dort so viel gibt. In Indien sind die meisten Kurzfilme relativ lang – um die 20 Minuten oder länger. Eher 25-minütige Dokumentar-Kurzfilme über Kinder im Reisfeld. Das fand ich nicht so attraktiv. Mit Bollywood oder dem Spielfilm dort haben die wenig zu tun. Erst seit wenigen Jahren entstehen dort tolle Kurzfilme, die auch auf internationaler Ebene miteifern können. Vergleicht man Kurz- und Spielfilme in Indien, ist der Kontrast noch größer als in Deutschland oder den USA.

Wobei die Filmindustrie in Indien ja riesig ist…
Hermanns:
Genau. Deshalb ist verwunderlich, wie rar der Kurzfilm dort ist. Er hat kaum ein Publikum und wird nicht so benutzt, wie in Europa, wo er zum einen Kurzfilm als Kurzfilm, aber eben auch Kurzfilm als Sprungbrett ist. Ich weiß nicht, wie es um die Filmschulen in Indien steht, aber viele Kurzfilme werden dort jedenfalls nicht gemacht.

Wie ist das in Irland?

Filmstill Separations_agency

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Hermanns: In Irland gibt es unheimlich viel und auch unheimlich viel Gutes. Ähnlich wie in Australien, wo man das auch nicht vermuten sollte. Das sind sehr produktive Länder, die den Kurzfilm extrem unterstützen. Nicht nur an den Filmschulen, sondern – wie auch in Frankreich – mit Produktionsgeldern. In Irland gab es in den Jahren nach 1993 eine Lücke, weil da Gelder gestrichen wurden. Als die wieder flossen, kam die Kreativität gleich doppelt zurück. Die machen sehr gute, fetzige Filme, in den viel getanzt und gesungen wird, was eher bei den Indern zu vermuten wäre… Sehr skurrile Geschichten voll britischem Humor. Ein Mann, der seine Frau auseinander nimmt und mit Holzteilen ersetzt. Schräge Komödien.Viele sehr kurz gehaltene, lustige Sachen.

Die perfekte Dramaturgie macht den Kurzfilm aus!

Was macht für Sie einen guten Kurzfilm aus?
Hermanns:
Die perfekte Dramaturgie macht den Kurzfilm aus! Vergleichen lässt sich der Kurzfilm aber nicht wirklich, da die Genre zu unterschiedlich sind.

Haben Sie einen Tipp für die Besucher?

Filmtipp Hermanns Kavi

Filmtipp Hermanns Kavi

Hermanns: Schwierig. Ich habe jetzt fast 3000 Kurzfilme hinter mir. In jedem Fall beeindruckend ist der französische Film „Babel„. En relativ langer Dokumentarfilm, Animationsfilm, Experimentalfilm und Fiktionsfilm, bei dem die Grenzen verschwimmen und eine unheimliche Bilderwucht über Shanghai hereinbricht. Das sieht man nicht alle Tage. „Kavi“ aus Indien, der gerade für den Oscar nominiert wurde und von Kinderarbeit handelt oder „Na wewe“ aus Burundi und Belgien, der wie ein Kriegsdrama beginnt und dann zur Komödie wird. Es ist sehr schön, wenn ein Film solche Phasen durchläuft. Das kann man an einem Film schätzen, dass er einen irgendwo hinträgt und man nicht weiß, wohin.

Wie bindet ihr eure zahlreichen Film-Gäste, abseits der kurzen Präsentation des eigenen Filmes, ein?
Hermanns:
Das sind immer sehr viele! Wir erwarten ungefähr 140 Gäste aus den Ausland und 200 aus Deutschland. Wir veranstalten ein Panel, bei dem Experten aus Indien, China, Australien mit mir als deutschem Vertreter sitzen und wir darüber sprechen, wie es in den einzelnen Ländern mit zum Beispiel Festivals und Produktion aussieht. Oft sitzen dann im Publikum noch andere Landesvertreter, die sich einbringen. Es entsteht ein Vergleich, mit dem sich feststellen lässt, was man besser machen könnte. Gerade die Chinesen wollen wissen, wie das woanders gemacht wird. Wir haben Pitch Me! an Freitag in der Volksbühne, wo die Leute ihre Projekte vorstellen können. Wir bemühen uns, die verschiedenen Leute zueinander zu bringen, damit die sich auf den Partys und Events näher kommen und austauschen. Das ist ein wichtiger Punkt.

In Deutschland hat sich die Kampagne „Kurz vor Film“ zum Ziel gesetzt, Kurzfilme als Vorfilme zurück auf die große Kinoleinwand zu bringen. Wie beurteilen Sie die Initiative?
Hermanns:
Ich bin teilweise dagegen, wenn vom Kurzfilm nur als Vorfilm geredet wird. Aber natürlich bin ich sehr dafür, wenn Kurzfilme wieder verstärkt als Vorfilme laufen würden. Darin besteht eine super Chance ein riesiges Publikum zu finden. Dennoch sollte das nicht die einzige Art sein, den Kurzfilm unter die Menschen zu bringen. Die Fernsehanstalten sollten sich bemühen, mehr Kurzfilm zu zeigen. Diese Kampagne kann sehr hilfreich sein, den Kurzfilm populärer zu machen. Es wäre schön, wenn das klappen würde. Es gibt auch die Unterstützung vom Staat für Verleiher wie uns, indem die Kinos die mitmachen nur einen kleinen Prozentsatz der Film-Miete zahlen müssen. Wir versuchen das mit dem Spot weiter zu geben, damit das Publikum Druck auf die Kinos macht und sagt: Wir wollen das. Es wäre also super, wenn mehr Kurzfilm als Vorfilm laufen würde, öfter im Fernsehen zu sehen wäre und wenn es mehr Kurzfilm-Vollprogramme im Kino geben würde.

Filmtipp Hermanns Na Wewe

Filmtipp Hermanns Na Wewe

Voll-Programme, wie ihr sie monatlich mit „Shorts Attack!“ in die Kinos bringt, sollen also auch ihrem Weg zum Fernsehen finden?
Hermanns:
Wir versuchen seit Jahren Fernsehsender von einer moderierten Kurzfilmshow zu überzeugen, wo zum Beispiel Comedians witzig über ein Thema reden und Kurzfilme dazwischen gestreut werden. Lockerer, als bei den Arte-Kurzfilmen. Vergleichbares gab es vor Jahren bei RTL und Sat1, scheiterte aber am weniger guten Konzept.Wir waren schon oft kurz davor, aber letztlich wurde doch abgesagt. Das ist schade, gerade weil der Kurzfilm ein sehr junges Publikum anspricht.

Könnte es sein, dass die aktuelle Medienentwicklung, mit einem immer wichtigeren Internet, dem Kurzfilm hilft?
Hermanns:
Internet und Fernsehen werden zusammenwachsen. Solche Präsentationen und Shows sind natürlich auch im Internet denkbar. Einem Internet, das das Fernsehen irgendwann ersetzen wird. Wie die Leute dann mit der Fülle der Programme zurechtkommen, ist eine andere Frage. Das tolle am Internet ist, dass es dort keine Grenzen gibt. Auch wenn es dort weniger Publikum für den Kurzfilm, als den Hollywood-Actionfilm gibt, kann man dort ein weites Kurzfilm-Publikum erreichen. Das ist ein Riesenvorteil. Auch wenn Filme bei Youtube und bei uns laufen, finde ich das gar nicht schlimm. Wenn die Filme oft geklickt werden, ist das auch Werbung. Einen Film im Kino zu sehen, ist und bleibt etwas anderes, als ihn im Internet zu sehen. Das Internet ist eine gute Möglichkeit den Kurzfilm zu promoten.

Viele Kurzfilm sind mir zu lang.

Die sich durch das Internet verändernden Sehgewohnheiten, hin zu kürzeren Filmen, hilft dem Kurzfilm sicher auch…
Hermanns:
Ich bin generell für kürzere Kurzfilme. Viele Kurzfilm sind mir zu lang. Filmemacher sollten konsequenter sein und den Kurzfilm auch kurz halten. Es gibt auch Zwischenlängen, die funktionieren können, aber am besten ist es, entweder einen Kurz- oder einen Langfilm zu machen, oder wenn einen Mittellangen mit 45 Minuten. Aber diese Zwischendinger mit 25 oder 38 Minuten finde ich sehr schwierig.

Gibt es eine offizielle Länge für Kurzfilme?
Hermanns:
Das ist sehr unterschiedlich. Beim Oscar sind es 45 Minuten. Im deutschen Filmrecht wurde sie früher mit 59 Minuten festgelegt. Bei den meisten Festivals liegt die Grenze bei 30 Minuten, wir bei interfilm haben 20 Minuten, machen aber bei Dokumentarfilmen eine Ausnahme bis hin zu 30 Minuten. Letztendlich kommt es bei der Länge auf die Geschicklichkeit der Dramaturgie an.

Was macht für Sie ein gelungenes Filmfestival aus?
Hermanns:
Gute Filme zu kriegen, deren Qualität anerkannt wird. Dass Leute sagen, sie haben prozentual viele Filme gesehen, die ihnen gefallen. Wenn viele Filmemacher kommen und daraus vielleicht sogar etwas entsteht. Ich erinnere mich, dass sich bei unserem Festival ein Kubaner, ein Argentinier und ein Mexikaner kennen gelernt haben, sich in ihren Ländern getroffen und gemeinsam Kurzfilmprojekte entwickelt haben. Zu so einem Kennenlernen beizutragen ist toll. Ich erinnere mich auch an Jahre, in denen die Filmemacher nur Berlin-Tourismus betrieben haben. Das ist nicht Sinn der Sache.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.