4. Woche der Kritik: „Scary Mother“ von Ana Urushadze


"Scary Mother" von Ana Urushadze feierte seine Premiere in Locarno. Foto: Woche der Kritik

„Scary Mother“ von Ana Urushadze feierte seine Premiere in Locarno. Foto: Woche der Kritik

Gefangen zwischen den Zeilen – Manananggal rises!

In einem gigantischen Wohnkomplex lebt Manana mit ihrer Familie. Sie ist Schriftstellerin und arbeitet an ihrem ersten Buch. Der Buchhändler von nebenan glaubt an ihr Genie. Die Familie vermisst Mutter und Ehefrau. Kurz vor der Fertigstellung zieht sich Manana noch mehr zurück als bisher. Sie wird erst unzugänglich dann unheimlich. Bald scheint nur ein Entweder-Oder möglich: Selbstverwirklichung oder Familie. Der Konflikt spitzt sich zu, als herauskommt, dass Manana voller Ekel und Perversion die eigenen Lebensverhältnisse porträtiert. Sie liest der versammelten Familien monoton und hektisch den lang erarbeiteten Text vor. Für sie ist autobiografisches Schreiben Fiktion. Der Familie ist verstört.

Der Film „Scary Mother“ entwirft einen verstörenden Horrortrip über das Schreiben und die Entfremdung von Familie und Gesellschaft. Ein archaischer Kampf zwischen Freiheit und Ordnung wird entfesselt. In ihren Träumen begegnet sie Manananggal einem embryofressende Mischwesen halb Mensch halb Fledermaus, das sie aus ihrer Kindheit kennt. Manananggal stammt aus philippinischen Sagen und macht ihr und ihrer verstorbenen Mutter besonders Angst. Der Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft wird in einem Drama mit Psychothriller-Elementen spürbar und nicht wegrationalisiert. Großes Kino und große Emotionen.

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