„Matterhorn – Wo die Liebe hinfällt“ von Diederik Ebbinge


Die Realität bringt zwei Menschen zueinander, die sich in ihrer Schrulligkeit kaum übertreffen. Foto: Pro-Fun Media

Die Realität bringt zwei Menschen zueinander, die sich in ihrer Schrulligkeit kaum übertreffen. Foto: Pro-Fun Media

Fred und Theo

In der kleinen Gemeinde in Seeländisch-Flandern sind die Geschlechterrollen klar verteilt. Hier gehört ein Mann zu einer Frau und eine Frau zu einem Mann. Die Jungen spielen Fußball und die Mädchen auf jeden Fall nicht. Etwas anderes wird nicht geduldet, schließlich wirft der liebe Gott einen Blick darauf. Hier lebt Fred, ein biederer Mann Anfang 50, passionierter Bach-Hörer und Witwer. Jeden Tag punkt 18 Uhr steht das Abendessen auf dem Tisch, sonntags geht er in die Kirche. Freds monotoner Alltag wird durchbrochen, als er mal wieder durch die Gardine lugend im Garten seines Nachbarn den vermeintlichen Landstreicher Theo entdeckt.

Den festgezurrten Konventionen zum Trotz lädt Fred Theo zu sich ein. Um das erste gemeinsame Abendessen entspinnt sich eine unkonventionelle, märchenhaft queere Liebesgeschichte voller Überraschungen, die zwei Menschen zueinander bringt, die sich in ihrer Gegensätzlichkeit und Schrulligkeit kaum übertreffen und genauso gut dem Filmuniversum Wes Andersons entsprungen sein könnten. Stilsicher und in wohlkadrierten Bildern zeichnet Diederik Ebbinge in seinem Langfilmdebüt das Umfeld dieser Begegnung. Es ist bezaubernd, wie Ton Kas die Figur des Fred mit Leben füllt, dessen anfängliche Verkrampftheit zunehmend weichen lässt und sich zaghaft Theo (ebenso wunderbar: René van ‚t Hof) annähert.

Matterhorn“ war als Fernsehproduktion gedacht. Doch auf dem Filmfestival in Rotterdam gewann der Film als erster Holländischer nach 16 Jahren wieder den Publikumspreis und auch in Moskau kürte das Publikum ihn zu seinem Liebling, während sich die regimeverliebte Preses über den Film echauffierte. Zeitgleich verabschiedete Putin das Gesetz, das jegliche Propaganda homosexuellen Inhalts verbot. „Alles, was man tun muss, ist, die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu treffen“, wird Bach im Film zitiert. Jawohl!

Eileen Reukauf

Die Kritik erscheint mit freundlicher Genehmigung des Stadtmagazins Kreuzer.

Matterhorn – Wo die Liebe hinfällt Regie/Drehbuch: Diederik Ebbinge, Darsteller: Elise Schaap, Porgy Franssen, René van’t Hof, Ton Kas, Ariane Schluter, Kinostart: 9. Januar 2014