Französische Filmwoche: Der Film als Exportgut


Filmszene: "Small World"

Filmszene: "Small World"

Frankreich ist ein Land der Kinogänger. Der Cineasten. Der französische Film ist eine der grundlegenden Erscheinungen im Kunstbetrieb des vereinten Europas. Und ein wichtiges Exportgut der Grande Nation, wie uns die Mitorganisatorin Nathalie von Bernstorff im Interview verriet. Verband man Frankreichs Filme vor ein paar Jahren noch mit der Nouvelle Vague, mit Namen wie François Truffaut und Jean-Luc Godard, aber auch mit banalen und leichtfüßigen Komödien, ist die Filmindustrie heute zu einem großen Markt gereift, der alle Genres bedient. Frankreichs zuteilen ultrabrutale Horrorstreifen („Martyrs“, „La Meute“) haben heute einen ebenso großen Einfluss auf die internationale Filmwelt, wie seine rasant-banalen Actionfilme („96 Hours„, „Transporter„, „Taxi„) und natürlich der romantische Film und die Komödie. Das französische Kino äußert sich allerdings immer noch maßgeblich über die großen Lebensmomente – Hass, Wut, Leidenschaft, Lachen wie Weinen. Ein Kino, das die reduzierte Geschichte adelt und eine Diskurskultur schätzt, das vor allem eines im Blick hat: das Gefühlsleben ihrer Protagonisten.

In diesem Sinn läßt sich auch der diesjährige Eröffnungsfilm der Französischen Filmwoche, die vom 1. bis 8. Dezember gleich in drei Berliner Kinos stattfindet, „Small World“ lesen. Verfilmungen von Martin Suters Werken sind en vogue. Vor einem Jahr, im Dezember 2009, lief „Lila, Lila„, im Februar folgte „Giulias Verschwinden„, nun Suters Debüt und bisher erfolgreichstes Werk „Small World„.  Ein gewagter Ausflug in die Sitten und Geheimnisse des französischen Bürgertums von Regisseur Bruno Chiche. Es ist die Geschichte eines alternden Freigeistes, eines großartig aufspielenden Gerard Depardieu, dessen Erinnerung an die Kindheit zunehmend stärker ins Bewusstsein dringen als seine aktuellen Erlebnisse. Nicht zuletzt aus diesem Grund zieht es Konrad Lang auch zurück in den Schoß der Industriellen-Familie Senn, zu der sich Konrad durch die gemeinsam verbrachte Kindheit mit dem gleichaltrigen Thomas zugehörig fühlt. Thomas‘ Mutter, das resolute Familienoberhaupt Elvira Senn, gewährt Konrad zwar Unterkunft, reagiert jedoch zunehmend beunruhigt und ablehnend auf Konrads Erinnerungen. Verwundert beobachtet Simone, die junge Gattin des Familienerben, die wachsende Nervosität der Familienangehörigen. Als Simone, Alexandra Maria Lara in einer bezaubernden Rolle, auch noch damit beginnt, das Puzzle aus Konrads Erinnerungen zusammenzusetzen, ahnt sie nicht, dass sie damit einem lebensgefährlichen Geheimnis auf der Spur ist.

Filmszene: "Von Menschen und Göttern"

Filmszene: "Von Menschen und Göttern"

Kurz vor dem bundesweiten Start feiert „Von Menschen und Göttern„, der auch im diesjährigen Wettbewerb von Cannes zu sehen war, eine Vorabpremiere auf der französischen Filmwoche. Auf einer wahren Geschichte beruhend, erzählt Regisseur Xavier Beauvois die Geschichte von Bruder Christian und seinen Glaubensbrüdern, die sich mit menschlichen Werten wie Nächstenliebe und Toleranz gegen den Terror wenden. Sie leben in einem Kloster in den Bergen Algeriens ein friedliches, asketisches Leben. Als in der Nähe des Klosters eine Gruppe von Gastarbeitern von islamistischen Rebellen getötet wird, wird den Mönchen jedoch klar, dass der schon lange schwelende Konflikt zwischen algerischen Regierungstruppen und den Rebellen immer näher an sie heranrückt. Man legt ihnen nahe, das Kloster zu verlassen, doch sie zögern. Die gemeinsamen Jahre haben sie zu mehr als einer Glaubensgemeinschaft gemacht, sie sind Freunde, eine Familie geworden, die in der Abgeschiedenheit der Berge ihre Heimat gefunden hat. Die Mönche diskutieren, zweifeln, kämpfen mit sich und entscheiden, dass sie gerade in dieser Situation bleiben müssen und wollen. Xavier Beauvois schildert seine Geschichte aber nicht aus dem Blickwinkel des Katholizismus und seiner religiösen Dogmen sondern aus der des Respekts. Ein Meisterwerk, das in Cannes zurecht gefeiert wurde!

Filmszene: "Tournée"

Filmszene: "Tournée"

Mathieu Amalric hat eine erstaunliche Verwandlung vollzogen. Empfahl er sich der internationalen Filmwelt in den vergangenen Jahren vor allem durch seine Vielfältigkeit als Darsteller in Filmen wie „Schmetterlinge und Taucherglocke„, orientiert sich Almaric zunehmend an der Arbeit hinter die Kamera. Mit „Tournée“ hat er nun seinen dritten Langfilm inszeniert. Er spielt den Impresario einer amerikanischen Bur­lesque-Tänzerinnen-Truppe, die durch französische Hafenstädte tingelt. Mit faszinierender Genauigkeit zeigt er die Beziehungen der Frauen untereinander auf. Sein Blick auf den Alltag der Tänzerinnen changiert dabei gekonnt zwischen sinnlicher Darstellung und behutsamer Offenlegung der einzelnen Charaktere.

Martin Daßinnies, Denis Demmerle

Französische Filmwoche, 1. bis 8. Dezember, Kino Cinéma Paris, Passage Neukölln, Filmtheater am Friedrichshain, www.franzoesische-filmwoche.de