Festivalbericht: Around The World in 14 Films


Filmszene: "Life During Wartime"

Filmszene: "Life During Wartime"

Wie stimmungsvoll dieses Konzept mit Leben zu füllen ist, beweist das Filmfest vom ersten Tag an. Nach dem normalen aber für den Zuschauer zähen Dank an die zahlreichen Unterstützer, Partner und Sponsoren durch Karl betritt am Eröffnungsabend mit der wunderbaren Maria Schrader die erste Patin das Babylon-Podium. Sie lächelt viel, herzt den Festivalleiter, dessen Schaffen sie nun seit einigen Jahren freundschaftlich begleitet, flirtet charmant mit ihrem Publikum, in dem sich zahlreiche Kollegen tummeln, um anschließenden mit strahlend-leuchtenden Augen „ihren Film“, „Life During Wartime“ von Regisseur Todd Solondz (u.a. „Happiness„), vorzustellen. Während die Schrader mit ungekünstelter Bewunderung über das Schaffen des ihr anvertrauten amerikanischen Indie-Filmmachers plaudert, beginnt ihr Auditorium zu verstehen, das dieser Abend vielmehr als „nur“ ein Kinobesuch werden könnte. Nachdem mit Ramin Bahranis „Plastic Bag“ zwar ausnahmsweise kein deutscher, dafür aber der Kurzfilm eines alten Festivalbekannten die Tage eröffnet, folgt Solondzs Familiendrama.

Inmitten der von Pastellfarben getränkten amerikanischen Vorstadt tragen darin drei ungleiche Schwestern ihr schicksalsgetränktes Bündel. Hinter der beinahe debil-glücklichen Fassade ihrer Lebenswirklichkeiten lasstet gerade das Alltägliche unverkennbar schwer auf ihren Schultern. Um dieses Brodeln unter der Oberfläche zu spüren, braucht es nicht viel. Die kindlich-naiv drängenden Fragen des elfjährigen Timmy, Sohn der ältesten Schwester Trish, entlarven die Unfähigkeit der Protagonisten. Während sich seine Mutter bemüht, ihm Moral und Anstand einzuimpfen, gerät ihre Moralversessenheit zu einer Farce, die letztendlich dazu führt, das Timmy in der freundschaftlichen Zuwendung eines Liebhabers seine Mutter phädophile Neigungen identifiziert. „Life During Wartime“ spielt mit den Flächen gesellschaftlicher Zwänge und der Unfähigkeit, diese zu artikulieren. Ohne Frage, ein Meisterwerk.

Doch ein solches Lob soll nicht der Bewertungsmaßstab für die präsentierten Werke sein, schließlich sind diese Dank ihrer vielfältig ausformulierten Filmsprachen schon vorab so ausführlich geadelt, dass sich eine Kritik beinahe verbietet. Dennoch sei erwähnt, dass der Kanadier Denis Côte, der mit „Curling“ erstmals einen eigenen Film in Berlin präsentierte, sein Publikum zu gleichen Teilen faszinierte wie langweilte. Der brasilianische Beitrag „I Travel Because I Have To, I Come Back Because I Love You“ (Marcelo Gomes & Karim Ainouz) besitzt zwar eine Reihe poetischer Bilder, offenbart letztlich aber eine belanglose Sinnsuche. Ganz anders zwei der Filme, die sich, im Gegensatz zu den meisten anderen Programmbeiträgen, eines Verleihs erfreuen: „Benda Bilili“ ( Renaud Barret & Florent de la Tullaye) und „The Green Wave“ vom im Iran geborenen deutschen Regisseur Ali Samadi Ahadi („Salami Aleikum„). Beides inhaltlich wie politisch gelungene Beiträgen. In „Benda Bilili„, der angelehnt an Wim Wenders´ Publikumshit „Buena Vista Social Club“ auch als „Kinshasa Social Club“ gefeiert wird, spielt die gleichnamige Band, eine Gruppe alter, gehandicapter Herren, mit unbändiger Lebensfreude gegen alle Schicksalsschläge an. Voller Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Stärken begreifen sie die Arbeit der Regisseure als Chance und kämpfen um den doch so unwahrscheinlichen, internationalen Durchbruch.

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