Billy Wilder Retrospektive im Babylon Mitte


Billy Wilder im Porträt

Billy Wilder im Porträt

54 Filme in 3 Wochen im Gedenken an 50 Jahre Mauerbau und einen „Berliner“, der Filmgeschichte schrieb.

Vor 50 Jahren, im Juni 1961, begann Billy Wilder in Berlin mit den Dreharbeiten zu seiner Ost-West SatireEins, Zwei, Drei„. Nur einen Monat später begann über Nacht der Mauerbau. Ein Schicksalsjahr für Berlin und den Regisseur Billy Wilder, der schon mit 20 Jahren seine Karriere in Berlin startete. Für Friedemann Beyer, Autor, Publizist und ehemaliger geschäftsführender Vorstand der Friedrich–Wilhelm–Murnau Stiftung, Anlass für eine umfassende und vollständige Retrospektive seines Schaffens im Herzen Berlins, im Babylon Mitte. Vollständig, da nun nach 30 Jahren mit „Ninotschka“ und „Eins, Zwei, Drei“ auch die Filme gezeigt werden, die noch 1980, dem Jahr der letzten großen Retrospektive, aufgrund der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1979  aus dem Programm der Berlinale zurückgezogen wurden.

Der für seine schlagfertigen Dialoge bekannte Wilder begann seine Karriere als Drehbuchautor mit Filmen wie „Der Teufelsreporter“ (Ernst Laemmle), „Menschen am Sonntag“ (Curt Siodmak, Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer, Fred Zinnemann) und „Emil und die Detektive“ (Gerhard Lamprecht) Ende der 20er Jahre in Berlin. Eine schicksalhafte Begegnung mit Paul Whiteman in Wien und eine Einladung lockten den gelernten Reporter 1926 nach Berlin. Billie, mit bürgerlichem Namen Samuel Wilder, zog zur Untermiete an den Victoria Louise Platz 11 und schrieb zunächst Reportagen für die B.Z. am Mittag und die Berliner Nachtausgabe, einer Zeitung des Hugenberg-Konzerns. Bis zu seiner Flucht aus Berlin 1933 hatte Wilder hier bereits an 14 Drehbüchern mitgeschrieben.

Mit „Mauvaise Graine“ drehte der gebürtige Österreicher schließlich im Pariser Exil sein Regiedebüt und emigrierte kurze Zeit später mit Hilfe Joe Mays in die Staaten, wo ihn Paramount Pictures unter Vertrag nahm. Für sein Vorbild Ernst Lubitsch schrieb er die Drehbücher zu „Bluebeard’s Eighth Wife“ und „Ninotschka“. Wenig später wechselte Wilder endgültig ins Regiefach. Einer Anekdote zufolge soll die Zusammenarbeit mit Regisseur Mitchell Leisen und dem Schauspieler Charles Boyer in „Hold Back The Dawn“ dazu geführt haben, dass Wilder fortan seine Drehbücher selbst verfilmte. Der Schauspieler hatte sich offenbar geweigert eine für Wilder wichtige Szene, einen Monolog mit einer Kakerlake, zu spielen und Regisseur Leisen ließ die Szene nonchalant streichen. Wilder entschied sich künftig gegen derlei Kompromisse, setzte seine Bücher nach eigenen Vorstellungen um und stieg mit Filmen wie „The Lost Weekend„, „Sunset Boulevard„, „Some Like It Hot„, „The Apartment“ und  „One, Two, Three“ auf in den Hollywoodolymp.

Beeinflusst von der geistreichen Finesse Ernst Lubitschs und dem spröden Charme der damaligen Screwball-Komödien inszeniert Wilder in seinen Filmen das Wort. Seine Figuren definiert er durch ihren Scharfsinn und Witz. Doch sie sind alles andere als perfekt. Seine Helden sind meist gebeutelte Durchschnittstypen mit gewöhnlichen Schwächen und Fehlern, die den Tücken des Alltags und ihrem Schicksal trotzen. Sie kapitulieren nicht vor gefühllosen Gegenspielern, der Tatsache, dass die Welt mit keinem Tag ein bisschen besser wird oder etwa wenn ihre Liebespläne durchkreuzt werden. Wilder, der sich an das Motto hielt: „If you’re going to tell people the truth, be funny or they’ll kill you“ war ein Moralist, der seine Forderung nach Anstand und Verantwortung im Witz verpackte und seine Kritik am System und der Gesellschaft mit unendlicher Hingabe und Zärtlichkeit für seine Charaktere paarte.

Jack Lemmon und Shirley MacLaine in "The Apartment"

Jack Lemmon und Shirley MacLaine in "The Apartment"

Mit der Retrospektive kehrt neben der Regielegende auch der Glamour der Hollywoodgrößen des 20. Jahrhunderts zurück nach Berlin. Greta Garbo, Ginger Rogers, Marlene Dietrich, Marilyn Monroe, Gary Cooper, Jack Lemmon, Shirley MacLaine und Tony Curtis sind neben anderen noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Am Freitag beginnt die Retrospektive mit der herrlich bissigen Cold-War-Satire „Eins, Zwei, Drei„. In den Hauptrollen spielen an der Seite James Cagneys der 28-jährige Horst Buchholz und eine irrsinnig komische Liselotte Pulver. Gleich im Anschluss zeigt das Babylon in der Spätvorstellung um 22.15 Uhr Billy Wilders preisgekröntes Werk „The Apartment“ mit Jack Lemmon und Shirley MacLaine. Die hinreißende Tragikkomödie gewann fünf Oscars. Drei gingen allein an Billy Wilder für den besten Film, die beste Regie und das beste Drehbuch.

An den darauffolgenden Tagen finden zwei Sonderveranstaltungen statt. Volker Schlöndorff persönlich zeigt am Sonnabend (15. Januar) von 15 bis 18 Uhr seine Dokumentation „Billy Wilder, wie haben Sie’s gemacht“? Und Dr. Hellmuth Karasek liest am Sonntag (16. Januar) aus seinem Buch „Billy Wilder: Eine Nahaufnahme“ und berichtet Anekdoten Billy Wilders. Für die Retrospektive wird wunderbarerweise laut Programmheft auch ein Festivalpass für 100/60 € angeboten, der besonders Wilderfans freuen dürfte.

Text: Susanne Teichmann

BE – Billy Wilder, 14.1. – 6.2. 2011, Babylon Mitte, Programm unter www.babylonberlin.de