Tim Burton Werkschau im Kino Arsenal


Michael Keaton als Beetlejuice

Michael Keaton als Beetlejuice

Tim Burton ist ein Kind seiner Zeit. Geboren in Burbank (Kalifornien) wuchs der Regisseur in einer typisch amerikanischen Mittelschichts-Vorstadtsiedlung auf. Ein Ort geprägt von kultureller Ödnis, am Reisbrett entworfen und der pulsierenden Metropole Los Angeles vorgelagert, gleichwohl unendlich weit weg. Dieses realexistierende Klischee der 50er und 60er Jahre, die Idee des idyllischen und unbehelligten Lebens fernab des Großstadtlärms verarbeitet Tim Burton bis heute in seinen nur oberflächlich märchenhaft anmutenden Filmen. Seine Geschichten wimmeln geradezu von gesellschaftlichen Aussenseitern, Psychopathen, Verlierern, Träumern und zauberhaften Gestalten, mit denen Burton dem homogenen Mittelmaß und dessen Anspruch auf Nützlichkeit eine empfindsam menschliche wie ästhetische Düsternis entgegenstellt.

Tummelten sich seine Charaktere anfänglich noch in von Klebstoff getränkten Plastikwelten („Beetlejuice„), stellte er dem biederen Oberschichtensohn Bruce Wayne (Micheal Keaton) in seiner überragenden „Batman„-Interpretation noch einen überdrehten, quitschbunten Joker (Jack Nicholson) entgegen, hatte Tim Burton spätestens mit seinem Film „Edward Scissorhands“ zu seinem ästhetischen Ausdruck gefunden. „Edward Scissorhands“ (1990) offenbarte zum ersten Mal sehr deutlich, wie abstrakt, weltfremd und eindimensional die Lebebsart der Vorortbewohner in den Augen Burtons ist und wie sehr dagegen die Dunkelheit, die poetische Ausstaffierung seiner Gegenwelten die menschliche Exsitenz und ihren facettenreichen Ausdruck widerzuspiegeln vermag.

Sein Held Edward, gespielt von Johnny Depp, ist ein Geschöpf in Frankensteinmanier. Er muss sich der Normierung einer Gruppe von Kleinstadtbewohnern stellen und lernt erst nach einer Odyssee der Anpassung, dass ein Anderssein keine Zwangsläufigkeit darstellt. Vielmehr kehrt Burton die Schöpfungsgeschichte seiner Figur um, bis das Geschöpf selbst zum Schöpfer wird und auf diese Weise eine der wichtigsten menschlichen Begabungen, die Fähigkeit zum Ausdruck und die Macht über die Bedeutungsproduktion, gewinnt. Die folgende gesellschaftliche Isolation wird zur Notwendigkeit erklärt, die Burton ebenso in seinem vier Jahre später entstandenen Film „Ed Wood“ thematisiert. Der Regisseur Edward D. Wood Jr. realisierte in den 50er und 60er Jahren mit großer Fantasie bei der Organisation von Requisiten, Geld und Darstellern in einer durchschnittlichen Drehzeit von fünf Tagen mit einem Minimalbudget eine Reihe von B-Movies. Die Fantasie bei der Inszenierung war hingegen beschränkt.

Promotionposter

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Redundante Dialoge, einmontierte Archivaufnahmen, trashige Ausstattung und dilettantische „Special effects“ brachten Ed Wood, der 1978 im Alter von nur 54 Jahren verarmt starb, posthume Popularität: Die Brüder Medved, Erfinder des „Golden Turkey Award“ erklärten ihn 1981 zum „schlechtesten Regisseur aller Zeiten“. Tim Burton hat seinen realistischsten Film einem Regisseur gewidmet, mit dem ihn nach eigener Aussage eine Seelenverwandtschaft verbindet. Mit viel Sympathie zeichnet er Ed Wood – mit einem großartig aufspielendem Johnny Depp – als einen der tapfersten und kindlichsten Regisseure aller Zeiten, der unbekümmert und hingerissen von der Magie des Kinos seine Filme drehte.

Das Kino Arsenal zeigt vom 14. Januar bis zum 10. Februar in einer wohl kuratierten Werkschau erstmals alle 14 Langfilme Tim Burtons. Eröffnet wird die Werkschau am 14. Januar mit „Edward Scissorhands“ und einer Einführung durch die Autorin Alexandra Seitz. Neben kommerziell erfolgreichen Filmen wie „Batman“ (1990), „Sleepy Hollow“ (1999) und dem skurillen Invasionsfilm „Mars Attacks“ (1996) wird auch Burtons erster Spielfilm „Pee-Wee´s Big Adventure“ aus dem Jahr 1985 gezeigt. Paul Reubens, in den 80er Jahren gefeierter Fernsehstar und Erfinder der Kunstfigur Pee-wee Herman, die mit eng anliegendem hellgrauen Anzug, Hochwasserhosen, weißen Schuhen, roter Fliege und gerougten Wangen in der Pee-wee Herman Show die Grenzen des guten Geschmacks auslotete, war durch den Kurzfilm „Frankenweenie“ (1984) auf Tim Burton aufmerksam geworden und verhalf ihm zu seinem, in Deutschland nicht verliehenen, Langfilmdebüt.

Text: Martin Daßinnies

Tim Burton Werkschau, 14. Januar bis 10. Februar, Kino Arsenal, www.arsenal-berlin.de