Festivalbericht: Directors Lounge 2011


Filmszene: "Cine Opera"

Filmszene: "Cine Opera"

Der Montagabend wurde ganz dem Schaffen des Briten Michael Nyman gewidemt. Einem breiten Publikum dürfte er für seine musikalischen Arbeiten zum Film „Das Piano“ ein Begriff sein. Unerwartet doch begeistert wurde sein Erscheinen gegen 18 Uhr begrüßt, wo er sich einem kurzen Publikumsgespräch zur Verfügung stellte. Anschließend folgten drei Kurzfilme. Sie alle hatten diesen barocken Soundtrack gemein, der um die fast statischen Bilder eine Handlung imaginierte. Es gibt in der menschlichen Welt nur eine einzige Sache, die überdeterminiert ist und das ist die Sprache, denn sie beinhaltet zwei in Bezug zueinander stehende Ketten: den Sinn und die Form. Ob es nun die Kupplung zweier Güterwagen oder im Verblassen inbegriffene Fotos sind, man merkt das Nyman in erster Linie ein hervorragender Fotograf und Diarist ist, mit einem Gespür für Motive, die im ersten Moment banal wirken, aber durch die Untermalung seiner Kompositionen eine Geschichte erhalten. Obwohl er mit Informationen spart, wird die Illokution wenn nicht erkennbar, so doch spürbar. Eben Sinn durch Sinnlichkeit.

In allem kann man etwas Besonderes entdecken und in allem kann man Material finden, um seine eigene Vorstellung zu entwickeln. Dies verdeutlichte auch die KurzfilmsammlungCine Opera„, die in Zusammenarbeit mit dem Myriam Blundel – Projekt anschließend ihre Ausstrahlung fand: Ein Mann der sich eine Krawatte bindet, gehlahme alte Menschen, ein Basar. Im Gegensatz zu dem Reality TV, das Dank seiner billigen Produktion und zynischen Intention den Fernsehmarkt überflutet, begegnet Nyman seinem Sujet mit Achtung, der nötigen Distanz und Feingefühl. Er ist kein Marktschreier, er beobachtet. Er wertet nicht, er zeichnet auf. So wird das Alltägliche fokussiert, das Unbekannte romantisiert und das Vergessene in Erinnerung gerufen.

Es gibt wohl nichts schwierigeres, als das kultursaturierte Publikum in Metropolen zu fesseln, um dadurch ihre Gedanken zu befreien. Denn obwohl der experimentelle Film prälinguistisch und präsubjektiv ist und dadurch dem Einzelnen die Möglichkeit zur Eigenständigkeit lässt, ist das Festival als Organisationsform gezwungen seinen Unterhaltungscharakter einzuhalten. Experimentelle Filme ringen um Situationen in der Zuschauer verschiedene Perspektiven einnehmen müssen um das Filmmaterial zu erfassen. Das ist an sich nicht wirklich progressiv, nur lädt es zur kontinuierlichen Veränderung und Neuorientierung ein. Wenn der Zuschauer sich zu sicher wiegt, besteht die Gefahr, dass das Ganze schnell im Manierismus endet. Die echten Innovationen finden dann statt, wenn der Filmschaffende sich in eine Situation begibt, wo er unsicher ist und sogar ein wenig ängstlich. Wie kann man aber überzeugend etwas durchsetzen, wenn man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt ? Vergleichbar ist die Situation vielleicht am ehesten mit dem eines Kartenspielers. Liegen die Karten einmal auf den Tisch, gibt es kein Weg zurück. Die Grenze zwischen Dilettantismus und wirklicher Begabung verschwindet. So bleibt abschließend zu sagen, dass mehr Mut hier mehr gewesen wäre. Von den über 700 eingereichten Beiträgen wirkten nicht wenige wie am Reißbrett entworfen und durch den berechnenden Charakter fade bis kitschig. So sollte wohl in erster Linie der Kunstlehrer in seiner Vorstellung befriedigt werden, dass alles beim Alten ist.

Text: Joris J.

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