Retrospektive Pere Portabella im Kino Arsenal


Filmszene: "Umbracle"

Filmszene: "Umbracle"

Der kontrastierende Blick

Das Kino Arsenal – Institut für Film- und Videokunst am Potsdamer Platz ist wichtig. Wichtig aufgrund seiner sorgfältig kuratierten Programme und verlässlich im Heben fast vergessener Raritäten. So ist es bezeichnend, dass vom 11. bis  28. März ein Regisseur mit einer eigenen Retrospektive bedacht wird, dessen Schaffen und Wirkung in keiner Relation zu seinem Bekanntheitsgrad stehen. Der katalanische Filmemacher Pere Portabella (geboren 1929) gehört seit fünf Jahrzehnten zu den wichtigsten Protagonisten des spanischen Films. Zunächst Produzent für Carlos Saura („Los Golfos„, 1959) und Luis Buñuel („Viridiana„, 1961), drehte er ab Ende der 60er Jahre selbst Filme, die in einem künstlerisch wie politisch radikalen Umfeld entstanden. Künstlerische Avantgarde und Opposition gegen die Franco-Diktatur sind denn auch die Spannungsfelder, zwischen denen er sich bewegt. Die Erweiterung der Möglichkeiten des Mediums Film steht im Mittelpunkt seiner Arbeit – die Dekonstruktion und das subversive Unterlaufen von ästhetischen und narrativen Konventionen, die Beziehung zwischen Bild und Abgebildetem und die Kritik von Repräsentationen.

Ausgangspunkt sind oft Genres, Werbefilme und Horrorfilme, deren Strukturen einer gründlichen Prüfung und Neuinterpretation unterworfen werden. Dazu gehören auch die komplexen Beziehungen zwischen Bild und Ton. Er verwendet dokumentarische wie fiktive Formen gleichberechtigt nebeneinander, wobei die Genregrenzen oft aufgehoben sind oder ineinander übergehen. Seine atmosphärisch dichten Filme zerlegen Bilder und setzen sie wieder neu zusammen und konterkarieren damit beständig Zuschauererwartungen. Portabellas erste Filme beschäftigten sich hauptsächlich mit filmischen Formen und damit verbunden Fragen der politischen Repräsentation. In konkreter Weise mit Politik befasste er sich in dem unter klandestinen Bedingungen entstandenen. Die Retrospektive schürft jedoch tiefer und offenbart ein reiches Spektrum an Interessen und Ansätzen.

Filmszene: "Informe General"

Filmszene: "Informe General"

Der Film „Umbracle“ (1972) begleitet einen Mann (gespielt von Christopher Lee) durch ein dystopisches Barcelona, während Portabellas „Vampir – Cuadecuc“ (1970) das Horror-Genre in einer essayistischen, farbgefilterten Form reflektiert. In „El Sopar“ (1974), „Nocturno 29“ (1968) und „Informe General Sobre Algunas Cuestiones De InterÉs Para Una ProyecciÓn PÚblica, Película“ („General Report on Some Questions of Interest for a Public Projection„, 1976) thematisiert der Regisseur die politischen Verhältnisse Spaniens unter der Diktatur Francos. Sie sind zudem filmische Bestandsaufnahmen der politischen Situation in der Umbruchphase Spaniens. Portabella nimmt verschiedene Perspektiven ein und beleuchtet das Leben von Menschen, die unterschiedliche Rollen im sozialen Geflecht der spanischen Bevölkerung einnehmen. Seine jüngeren Filme beschäftigen sich mit Gegenständen, die bereits in seinem frühen Filmschaffen aufflackerten: „Mudanza“ aus dem Jahr 2008 spürt beispielsweise ähnlich dem 67er Werk „No Compteu Amb El Dits“ dem künstlerischen Schaffen eines Schriftstellers und Dichters nach. Doch wo „Mundanza“ seinen Stoff in  Vergangenheit, Erinnerung und Leere sucht, kontrastiert „No Compteu Amb El Dits“ mithilfe lebendiger Werbefilme. „Pont De Varsòvia“ (1989) wagt einen postmodernen Blick auf ein verändertes, fragmentiertes Europa,  indessen er sich in seinem bislang letzten langen Film „Die Stille vor Bach“ (2007) dem Einfluss Bachs auf die Welt der Musik widmet.

Carolin Weidner

Retrospektive Pere Portabella, bis 28. März, Kino Arsenal, www.arsenal-berlin.de