Musikfilmfestival In-Edit im Moviemento


Filmszene: "Johnny Cash at Folsom Prison"

Filmszene: "Johnny Cash at Folsom Prison"

Überqueren wir den Atlantik, so entfernen wir uns von störrischen, lauten Ziegen und landen bei den leicht untertemperierten Gemütern des Jazz und ihrer stillen Revolution.  Nicht wenige seiner Interpreten erwähren sich gegen die Begrifflichkeit Jazz, da ein Genre die Musik eines Interpreten genau genommen marginalisiert, dadurch zwar verkaufsfördernd ist, aber Kollegen mit einem anderen Sound ins Aus befördert. „Icons Amon Us: Jazz in the Present Tense„, eine Zusammenarbeit von Lars Larson, Michael Rivaira und P.J.Vogt, demontiert eher die Mythen um die radikale Bläsermusik, als diese zu festigen, denn wie Herbie Hancock einst sagte: „The Term jazz, in a sense perhaps, is its own worst enemy, but if we redefine what jazz is in a responsible and powerful way, then it won´t be its own worst enemy, because how people will perceive it will change.“ Jazz ist eine Musik ohne Grenzen. Eine Musik, die seit jeher eher vereinen als trennen will.  Dieser Stil der Fremdbestäubung ist maßgebend und unentbehrlich für die Popkultur.

Verborgene Legenden

Musiker wollen Publikum erreichen, ganz egal was sie in einem Interview erzählen. Musiker wollen außerdem so viel Publikum wie möglich erreichen. Zum einen aus Eitelkeit und zum anderen aus finanziellen Gründen. Mit einigen hundert Hörern lassen sich nun mal keine Rechnungen begleichen. „Hidden Legends and Shiny Stars“ verfolgt den Alltag der ganz Großen und denen, die es gerne werden woll(t)en. Bestor Crams „Johnny Cash at Folsom Prison“ ist in erster Linie ein Musikfilm, aber auch ein anrührendes Stück amerikanische Sozialgeschichte. Am 13. Januar 1968 tritt Johnny Cash wohl das Konzert seines Lebens an und das in der damals härtesten Strafanstalt der Vereinigten Staaten. Er und seine zukünftige Frau June Carter wurden gewarnt: Kommt es zu einem Aufstand, wird geschossen – auch auf die Musiker. Doch es blieb friedlich. So begleitet die Kamera dieses Pionierprojekt des Konzertierens und den Tagesablauf von zwei Häftlingen, deren Weg sich vom Beginn des Auftrittes an ändern wird. Leider hat nur eine der Geschichten ein Happy End.  Nach Drogenexzessen war die Karriere des Man in Black beinahe beendet. „Live at Folsom Prison“ bedeutete nicht nur sein Comeback, es wurde eines der erfolgreichsten Veröffentlichungen der Popmusik.

Filmszene: "Who is Harry Nilsson? (And Why is Everybod Talkin´About Him?)"

Filmszene: "Who is Harry Nilsson? (And Why is Everybod Talkin´About Him?)"

Mit einem Stimmenumfang von drei Oktaven, gepusht von den Beatles, starb  1994 ein Mann, der wohl zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist – Harry Nilson. John Scheinfelds „Who is Harry Nilsson? (And Why is Everybod Talkin´About Him?)“ ist ein Künstlerportrait über einen Mann, der mit Hilfe seiner Familie wohl die meisten seiner Demonen hinter sich lassen konnte. Geboren als Harry Edward Nelson III war der am 15.Juni 1941 in Brooklyn zur Welt gekommene Sänger in den 1960ern und 70ern recht berühmt und kommerziell erfolgreich. Wegen der schwierigen finanziellen Situation seiner Familie musste er früh arbeiten gehen. So ergaben sich Stell-Dich-Eins bei dem Paramount Theater in Los Angeles und einer  Bank, bei der er sich mit gefälschten Unterlagen bewarb. Dort zeigte er so großen Umgang im Geschick mit dem damals nicht sonderlich verbreiteten Computer, dass die Bank ihn auch nach Überprüfung seiner Unterlagen behielt. Wäre die Musik von Ray Charles nicht in sein Leben getretten, wer weiß, vielleicht hätte er eines Tages eine dieser berühmten Garagenfirmen eröffnet, wie es einst Bill Gates oder Steve Jobs taten.

Nachdem alle Obligationen in Optionen münden und sie so in Disparität gedeihen, kann man davon ausgehen, dass in den Filmen von In Edit ein magischer Rest steckt, ein Geschmack von gewünscht Verbotenem, der den kulturellen Konsens der Popmusik huldigt und mit unter interessante Perspektiven auf bereits Bekanntes eröffnet.

Joris J.

In-Edit, 5. bis 10. April, Kino Moviemento, www.in-edit.de, das Programm zum Download

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