„Benda Bilili!“- Regisseur Florent de La Tullaye im Interview
Man stirbt sehr schnell in diesem Land
Ursprünglich war Regisseur Florent de La Tullaye Fotojournalist, doch davon hatte er 2004 genug und reiste gemeinsam mit Renaud Barret nach Kinshasa, wo er die Band Staff Benda Bilili traf. Statt – wie ursprünglich geplant – ein Album mit den schon in jungen Jahren an Kinderlähmung erkrankten Musikern zu produzieren, entstand über Jahre die bewegende Dokumentation „Benda Bilili!„, die im letzten Jahr beim Filmfestival von Cannes die Quinzaine eröffnete und dort ebenso frenetisch gefeiert wurde, wie später bei Around The World in 14 Films, wo wir den Filmmacher trafen. Im Gespräch berichtet de La Tullaye über den Kongo, die Band und den Schub durch Cannes.
Monsieur de La Tullaye, was bedeutet es im Kongo einen Film zu machen?
Florent de La Tullaye: Du musst vor allem sehr lange vor Ort sein. Ein Plan, der vorsieht für 15 Tage in den Kongo zu fliegen, um eine Doku zu drehen, würde nicht funktionieren. Du musst Lingala sprechen und viel Zeit mit den Menschen verbringen, damit sie dich akzeptieren.
Wie ist es um die Sicherheit vor Ort bestellt?
De La Tullaye: Aus europäischer Sicht wirkt der Kongo gefährlich. In Kinshasa, von innen, wenn du tatsächlich bei den Menschen bist, ist es nicht gefährlich. Die Frage müsste lauten: Wer ist gefährlich in Kinshasa? Es sind die Polizei und die Armee, weil die Waffen haben. Die Leute selbst sind friedliebend. Die Probleme dort entstehen durch das fehlende Geld. Im Durchschnitt verdient man im Kongo 20 Dollar. Als Weißer fällst du auf und du wirst bedroht, weil du mit hoher Wahrscheinlichkeit Geld hast.
Ist das Ihnen auch passiert?
De La Tullaye: Ja, ziemlich oft.
Wie sind Sie auf die Band Benda Bilili gestoßen?
De La Tullaye: Wir haben sie nicht gefunden. Eines Abends, nach einigen Bieren in einer Bar, hörten wir von draußen wundervollen Blues. Vor der Tür fanden wir dann diese merkwürdige Band aus Behinderten und Straßenkindern, die uns einluden mit ihnen Zeit zu verbringen. Diese Truppe Behinderter und Kinder, die sich jeden Tag trifft, um zu proben, ist wirklich außergewöhnlich.
Sie haben über fünf, sechs Jahre am Film gearbeitet. Zweifelten Sie am Erfolg?
De La Tullaye: Die ursprüngliche Idee war, die Filmaufnahmen als Promo für die Band zu nutzen. Doch jeder, dem wir die Band in Paris vorstellten, gab uns zu verstehen, dass mit afrikanischer Musik kein Geld zu machen sei und schon gar nicht mit behinderten Afrikanern und Kindern. So ging es uns später übrigens auch mit dem Film. Immer wieder wurde uns die Frage gestellt, wer den Film im Kino sehen wollen würde. Also stellten wir Ausschnitte ins Internet, wo schon bald 500.000 Menschen die ganz einfachen Videos schauten. Von diesem Zeitpunkt an wussten wir, dass wir nicht verrückt sind und die Band wirklich gute Musik macht.
Dass der Film entstehen konnte, wirkt bei Betrachten wie ein Wunder. Umstände, wie die im Film beschriebene Feuerkatastrophe, die die Baracken der Behinderten vernichtete, während sie gerade gemeinsam im Studio waren, mussten überwunden werden.
De La Tullaye: Leider kam es immer wieder zu solchen Situationen. Als das Heim abbrannte, mussten wir einfach unterbrechen. Für uns war das Schwierigste an diesem Abenteuer, dass immer die Gefahr bestand, einen der Jungs zu verlieren. Man stirbt sehr schnell in diesem Land. Auch wenn Benda Bilili als Gemeinschaft sehr stark ist und war, mussten wir in der Zeit viele Menschen sterben sehen. Die durchschnittliche Lebenserwartung dort sind nur 45 Jahre.
Interessant an der Gemeinschaft Staff Benda Bilili ist auch der große Altersunterschied zwischen den Bandmitgliedern…