„Chaplin Complete“: Interview mit Geraldine Chaplin


Ich liebe es angeleitet zu werden.

Miss Chaplin, Sie lebten in vielen Ländern, gelten als Kosmopolitin. Wo fühlen Sie sich heimisch?
Chaplin: Nirgendwo wirklich, aber überall, wo die Sonne scheint. Ich liebe Miami und klar bin ich mit Spanien verwurzelt. Letztlich bin ich aber überall Ausländerin. In den USA denken sie ich sei Britin, wegen meines Akzentes. In England dagegen glauben sie, ich sei Amerikanerin – wegen meines Akzentes.

Wie sind Sie Schauspielerin geworden? Gab Ihnen Ihr Vater Tipps?
Chaplin: Ich begann mit der Schauspielerei, weil ich faul war. Eigentlich wollte ich Tänzerin werden. Das war meine erste große Liebe. Ich war eine so leidenschaftliche Tänzerin! Und ich war eine tolle Tänzerin, allerdings nur in meinem Kopf, der Körper spielte nicht mit. Als mein Ensemble bankrott ging, nicht wegen mir übrigens, fand ich keine neue Stelle. Für eine Zeit lang arbeitete ich im Zirkus, was romantisch klingt, aber nicht war. Irgendwann fragte ich mich, ob ich nicht einfach Schauspielerin werden sollte. Es klingt so einfach, wie es tatsächlich war. Einen Augenblick später fand ich einen Agenten, der beschloss, ich müsse meinen ersten Film gemeinsam mit dem angesagten Jean-Paul Belmondo drehen und nur wenig später dreht ich meinen ersten Film an der Seite von Belmondo („An einem heißen Sommermorgen„/1964), kurz darauf folgte „Doctor Schiwago“ (1965) und alles lief von selbst.

In einem Interview, das Sie 1971 der Münchener Abendzeitung gaben, sagen Sie, dass Sie ohne Ihren Namen „nie“ Karriere gemacht hätten. Wie sehen Sie das heute?
Chaplin: Heute würde ich die Aussage doppelt unterstreichen.

Im gleichen Interview beschreiben Sie Ihre Arbeit als Schauspielerin mit den Worten: „Ich möchte ein perfektes Instrument sein„.
Chaplin: Auch das stimmt genau so. Das ist auch der Grund, warum ich nie begonnen habe, Regie zu führen. Ich liebe es, angeleitet zu werden.

Welche Projekte planen Sie gerade?
Chaplin: Im letzten Jahr habe ich fünf Filme gedreht und dieses Jahr auch schon wieder einen. Morgen reise ich wegen eines Films nach Paris, in dem ich mit Salma Hayek spiele. Er heißt „Americano“ und Regie führt Mathieu Demy, der Sohn von Agnes Varda und Jacques Demy. Dazu kommt demnächst der französische Film „Et Si On Vivait Tous Ensemble„, den ich mit Jane Fonda, Pierre Richard und dem liebenswerten Daniel Brühl gedreht habe. Ein Film über alte Menschen. Und mein persönlicher Favorit „Memorias de mis putas tristes„, nach der Buchvorlage von Gabriel García Márquez. Eine tolle Geschichte über einen alten Mann, der sich zu seinem 90sten Geburtstag eine 14-jährige Jungfrau wünscht.

Sie haben im letzten Jahr mit „The Wolfman“ erstmals einen großen Hollywood-Film gedreht…
Chaplin: Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber ich glaube nicht, dass er sonderlich gut ist.

Wollten Sie einfach mal bei einem solchen Blockbuster mitspielen?
Chaplin: Mein Agent hat mir dazu geraten. Er meinte: „Ich will dich einmal in einem richtig großen Studio-Film sehen.“ Ich stimmte zu. Es war eine sehr merkwürdige Erfahrung. Am Set gab es gleich sieben Produzenten, die immer alles im Auge hatten. Dann feuerten sie den ersten Regisseur, dann die Dame von der Maske… Alles um uns rum war in Wolfman-Farben gestrichen und ich sagte zu mir: Mit dem Geld, was all die Farbe gekostet hat, könnten wir einen Film drehen. Aber Benicio del Toro war sehr liebenswürdig und Anthony Hopkins, den ich schon sehr lange kenne, war ein echter Schatz. Es hat Spaß gemacht.

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