Kolumne: Einsvierundzwanzig


Filmplakat "Citylights"

Filmplakat "Citylights"

Was bei vierundzwanzig Bildern pro Sekunde auf und bisweilen auch vor der Leinwand passiert, kann Geschichte schreiben oder auch sofort in Vergessenheit geraten. Unsere Autorin Patricia Schwan schreibt an dieser Stelle in unregelmäßigen Abständen über Erlebnisse und Gedanken zu Film und Kino. Diese Woche hat es ihr der stumme Chaplin angetan.

Stumm und d’rum

Manchmal wünscht man sich die Welt als Stummfilm. Dann wären alle Geräusche wohl ausgesucht und Sprache auf das Wesentliche reduziert. Überhaupt könnten wir nur sprechen, indem wir etwas auf eine Tafel schrieben und ins Bild hielten. Den Mund dürften wir zwar bewegen, doch mehr als ab und zu ein paar komische Quietschgeräusche würden dabei nicht herauskommen, und das auch nur, wenn wir gerade eine Rede hielten. Dafür würden wir im Hintergrund ständig Geigen hören und Oboen. Wenn wir traurig wären, dann wären wir gleich sehr traurig. Wenn wir lustig wären, wären wir umwerfend.

Die Welt des Charlie Chaplin ist eine lustige und eine traurige. Als er in den 1930er Jahren „Citylights“ („Lichter der Großstadt„, 1931) drehte, entschied er sich für das Medium Stummfilm, obwohl der Tonfilm schon längst Publikum und Filmschaffende in seinen Bann gezogen hatte. Chaplin riskierte den Flop und produzierte den Welterfolg. Anders als beim Tonfilm musste hier nicht viel übersetzt werden, keine Sprachbarrieren hinderten den Film, in der ganzen Welt gesehen und verstanden zu werden. Aber das sind nur die technischen Gründe. Der eigentliche Grund lässt sich mit Sven Regener auch so ausdrücken: „Es geht auch, ohne dass man spricht.“ Auf diese simple Erkenntnis bin ich – bereits vor meinem „Citylights„-Besuch letzte Woche – kürzlich schon einmal gestoßen, als ich den bulgarischen Episodenfilm „Obarnata Elha“ („The Christmas Tree Updside Down„) von Ivan Cherkelov und Vassil Jivkov sah.

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