Festivalbericht: Going Underground
Frohsinn und Besucher
Ein Mann im grauen Dreiteiler sitzt konzentriert über seiner Ausgabe der FAZ. Neben ihm steht sein Koffer, der durch die Fahrbewegungen leicht hin- und hergeschaukelt wird. Währenddessen strahlt das Berliner Fenster die 9. Ausgabe seines Going Underground-Festivals aus, das diesmal gleichzeitig in Berlin und Seoul stattfindet. Es läuft gerade „Steenbeckstory“ von Marie Dvorakova, in dem die festhängende Krawatte eines Film-Editors diesen zu einer slapstickartigen Rundreise durch seine geschnittenen Aufnahmen einlädt. Der Mann blinzelte kurz auf, so etwa zehn Sekunden vor Schluss, klappt seine Zeitung zusammen und verlässt mit seinem Koffer die U-Bahn. Das Erfassen des Inhaltes dieses Filmchens war für ihn höchstens von sekundärem Belang und wenn man vom Erfassen reden will, so blieb es schematisch und war im Kontext der Zeitungslektüre vollkommen inkommensurabl.
Der Begriff Festival leitet sich vom lateinischen Wort festivus ab und bedeutet feierlich oder heiter. Die Atmosphäre des Festivals war noch nicht einmal schlecht, allerdings ist es das Anliegen eines Festivals, etwas Besonderes hervorzuheben. Etwas, das tatsächlich zu Feierlichkeiten im weitesten Sinne einlädt und animiert. Sowohl der Film als auch die U-Bahn sind transportierende Objekte. Wenn man sie so als Paar betrachtet, liegt das Urteil nahe: „Passt doch„. Es passt wohl zu gut, denn es fehlt an Reibung und Widersprüchen. So nimmt man die Beiden als unbeteiligter Dritter kaum wahr. Das Programm hatte einfach zu viele Nebenbuhler. Da wäre die Werbung, die ebenfalls im Berliner Fenster ausgestrahlt wird. Da wären die Motz-Verkäufer und da wären die iPhones und -Pods. Durch die vollständige Demokratisierung von Bildschirmen, gibt es kaum einen Anlass, hoch in die Röhre zu schauen, denn die individuelle Lebenswelt gibt genau die Bilder wieder, die man im Moment haben möchte. So fühlte es sich eben an, als wenn kein Festival stattfinden würde. Man redet ja auch nicht von einem Konzert, wenn jemand in der U-Bahn ohne zu Fragen drauflosklimpert.
Medien sind für jeden Einzelnen unterschiedlich wertvoll. Um Werte vergleichen zu können, ist man auf einen Maßstab angewiesen. Da eine Feierlichkeit in der Fahrgastkabine nicht aufkam, blieb als zweitbestes die Aufmerksamkeit und diese wurde, wenn überhaupt, nur gegeben, wenn Einzelne aus ihrem Herbarium aus iPod- Playlisten, Leitartikeln und Konversation heraus gerissen wurden. So rannte ein kleines Kind mit Katzenbemalung fauchend vorbei an einem älteren Herrn, der seine Post sichtete und an zwei älteren Damen, die Fotoaufnahmen verglichen.