Das war das Baltic Filmfestival 2011
Eiskalte Blautöne
Seit sieben Jahren hat das Baltische Filmfestival nun seinen Platz im Kino Babylon. Dieses Mal fand es zwischen dem 24. und 29. September statt. Sorgfältig ausgewählt und von Festivalorganisatorin Gudrun Holz präsentiert, wurden die neuesten lettischen und estnischen Spiel-, Animations- und Dokumentarfilme gezeigt. Das Festival hüllte sich in diesem Jahr in eiskalte Blautöne und es gab einen Grund dafür: Der estnische Spielfilm „The Snow Queen“ von Marko Raat eröffnete den ersten Abend und brachte buchstäblich alle Zuschauer zum frieren. Adaptiert wurde die eigentümliche Beziehung zwischen einer Frau und einem Schuljungen von H.C. Andersen, der als erster über das Leben in einem Eisschloss und das Spielen der Eisspiele sprach. Raats moderne Interpretation war in ihrer Empfindlichkeit und Einfachheit äußerst glaubwürdig.
Dieses Festivaljahr lagerte den Schwerpunkt auf Produktionen, die sich mit gesellschaftlichen Konflikten befassten. Der Sonntag begann mit dem Dokumentarfilm „Dances for the Milky Way“ (Jaak Lõhmus), einer Hommage an den Autor, Regisseur und spätereren Präsidenten der Republik Estland (1992-2001) Lennart Meri, der im Jahr 2006 verstarb. Später am Abend konnte das Publikum Yuri Khashchavatski Erstling „Lobotomie“ sehen, eine persönliche Anklage gegen die Gehirnwäsche-Taktiken der russischen Medien. Khashchavatski nahm als Ausgangspunkt für seinen Film den jüngsten Krieg zwischen Russland und Georgien und erläuterte, wie sehr die tatsächlichen Ereignisse aus dem Konflikt verfälscht wurden, als das russische Staatsfernsehen darüber berichtete. Der Montagabend begann mit der sehr verstörenden und schockierenden Dokumentation „Homo @ lv„. Hier versammelte Kaspars Goba starkes und provokantes Material über die Situation der Homosexuellen in Lettland.
2007 unternahm man in Riga den ersten Versuch eine Demonstration von Homosexuellen auf die Beine zu stellen, die den Startschuss für das komplizierte Verhältnis zweier Organisationen gab: Mozaika – eine homosexuelle Gemeinschaft in Lettland und NoPride – eine homophobe Organisation, die die klassischen Familienrechte verteidigt. Der hoffnungslose Kampf dauerte drei Jahre, bis klar wurde, dass Niemand eine Parade von Homosexuellen in Riga möchte und das die Wut und der Mangel an Toleranz das wahre, traurige Angesicht der Letten ist, die der Tatsache nicht ins Auge sehen wollen, dass die sowjetische Ära beendet ist und es an der Zeit wäre, eine neue Gesellschaft aufzubauen. In der Tat war Berlin ein seltsamer Ort so etwas mit an zu sehen und wenn man um freiheitliche Lage der Stadt weiß, ist diese baltische Dystopie ein Grund für Tränen. Als der Bildschirm sich verdunkelte, schwieg das Publikum und verließ mit schwerem Herzen den Kinosaal.
Andere Farbnuancen konnten am letzten Tag des Festivals begutachtet werden, denn die letzten anderthalben Stunden waren eine Mischung aus estnischen und lettischen Animationsfilmen. Am denkwürdigsten und surrealsten war wahrscheinlich die Geschichte von Mati Kutt „Sky Song„, der mit wunderbar gefertigten Puppen und geheimnisvollen Orten die tiefere Bedeutung des Jobs eines Briefträgers und seiner Mission zum Mond vermittelte. Eine tolle Mixtur baltischer und deutscher Gäste zelebrierte die Nacht mit einem Glas Champagner und einer Unterhaltung, bei der sie ihre Gedanken über das vielschichtige Material des Festivals teilten.
Text/Foto: Jekaterina Petrova