Rückblick auf das erste Greenland Eyes Filmfestival

Alltag in Grönland


Filmszene: "Silent Snow", Foto: Tiina Itkonen

Filmszene: "Silent Snow", Foto: Tiina Itkonen

Tiefe Einblicke über die größte Insel der Erde und deren Bewohner gaben die Filme des ersten grönländischen Filmfestivals Greenland Eyes in Berlin in der letzten Aprilwoche. Wer näheres über die Befindlichkeiten und die soziokulturelle Lage der Bewohner des gegenwärtigen Grönlands hätte erfahren wollen, wäre im Kino Arsenal vollends mit sehr informativen Filmen befriedigt worden.

Neben einigen technisch und handwerklich gut bis weniger gut gemachten fiktiven Arbeiten, fielen gerade die Dokumentationen des Festivals auf. In zweierlei Hinsicht: Zum einen beschränkt sich die Zahl der grönländischen Langspielfilme, ob der wenigen Filmschaffenden auf ein Minimum und zum anderen kam es den Festivalmachern gerade darauf an, ein möglichst aktuelles und authentisches Bild Grönlands zu zeigen. Dem Berliner Publikum sollte eben vorgeführt werden, dass der Alltag der Grönländer in Teilen nicht anders ist als in Paris, München, London oder Madrid und es hier wie dort ähnliche Probleme, Anstrengungen, Träume und Visionen der Menschen gibt. Das gelingt am besten durch die gute alte Dokumentation. So berichtet die kleine heranwachsende Esther in „Nuuk Nuann – Lovely Nuuk“ (2011) von den schmackhaften Blaubeeren rund um die Stadt Nuuk. Die Sträucher, die sie noch vor wenigen Jahren am Stadtrand fand, sind Geschichte, da eine Straße an deren Stelle gebaut wurde. Der Abschlussfilm der norwegischen Regisseurin Tove Maurtvedt von der Hochschule in Tronsö brillierte durch eine ungezwungene und immer im Fluss bleibende Bildschau über ein Teenager, der über Ausschnitte seines Lebens unbewusst Ausschnitte der grönländischen Hauptstadt transportiert.

Ein sehr intimes Zeugnis über die wohl am nördlichsten gelegene Kunstszene bot, neben „Echoes“ (2010) – dem zweite Filmbeitrag der Festivalleiterin Ivalo Frank, „Faith, Hope and Greenland“ (2009). Neben Makka Kleist, die zur Aufführung auch im Arsenal vertreten war und als Schauspielerin, Sängerin und Autorin in Nuuk die erste grönländische Schreibschule für kreatives Schreiben eröffnet hat, sind in diesem Film noch andere ‚Größen der Polarkultur‘ zu sehen. Auch die Fotografin Julie Edel Hardenberg, deren fiktive Filmplakate das Entree des Arsenals schmückten, der Rapper Peter Tuusdi Motzfeld und der Filmproduzent Mikisoq H. Lynge beschreiben ihre Arbeit in, um und über das Leben auf Grönland. Lynge, der das sehr sehenswerte und emotional geladenen Drama „Someone from Nuuk“ (2009) produzierte, schildert in „Faith, Hope and Greenland“ den Drang der Künstler Grönlands, sich der Welt zeigen zu wollen. Daher habe er auch dieses Drama „…welches universale, menschliche Probleme aufzeigt, sehr gerne unterstützt und daran gearbeitet. …. Wir können hier mehr als nur Eisbären jagen und Iglus bauen!“

Dass die Insel aber nicht nur gestalterisch an der Welt teil nehmen will, sondern die Welt gerade auch Grönland gestaltet, davon zeugte „Silent Snow“ (2011). Der niederländische Regisseur Jan van den Berg begibt sich im nicht mehr ganz so ewigen Eis auf die Suche nach den Umweltschäden und den ersten Auswirkungen des Klimawandels. Die Koautorin und vor der Kamera agierende Pipaluk Knudsen-Ostermann, die gebürtige Grönländerin ist und deren Motivation zum Film auch in einem Kinderwunsch begründet liegt, reist zusammen mit van den Berg den Spuren und Quellen der Verschmutzungen hinterher und offeriert leider schon zu Bekanntes. Weltweit zerstört der Mensch  durch sein Verhalten den Planeten und dieser beginnt meist da Schaden zu nehmen, wo Menschen wenig oder nichts dazu tun: Klimawandel, die Polkappen schmelzen, Meeresspiegel steigen, Verschmutzung, Artenvielfalt dahin, Überfischung der Meere… Als Zyniker hätte man dann ja auch noch Geschmack am echten grönländischen Bier oder Wodka,  aus nationaleigenem Gletscherwasser(!) oder an den gereichten Fischkanapees(!) finden können, die den Zuschauern nach den Vorstellungen ein kleines Gespür für grönländische Lebensart geben sollten. Wie hoch der Anteil der eigenen Umweltbelastung und Verschmutzung durch die Insulaner selber ist, wurde in „Silent Snow“ allerdings nicht hinterfragt, was ja Anreiz für eine Fortsetzung sein könnte. Zu wünschen ist es, denn die von den Filmschaffenden mit Herz und Liebe gemachten Filme Grönlands, hätten noch viel zu erzählen. Vielleicht und hoffentlich im nächsten Jahr, bei der zweiten Auflage des Greenlandeyes.

Sven Bruelke