3. StummfilmLIVEfestival Babylon-Berlin mit Buster Keaton

Lakonie und die Mächte des Zufalls


Während Hollywood über dem Feuer der öffentlichen Meinung allmählich verbrannte, brach ein neuer Skandal aus. Am 1. Februar 1922 wurde der Regisseur William Desmond Taylor in seinem Wochenendhaus in der Nähe von Los Angeles getötet. Er lag, wie in Trance, auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet, ein umgestürzter Stuhl über seinen Beinen. Ein bisschen wie das Zentrum eines tropischen Sturms –  mit zwei 38er Kugeln im Herzen.  Taylor und Keaton hatten einige Zeit zuvor über diverse Projekte gesprochen. Keatons Filme verschlangen immer mehr Geld und Taylor fehlten einfach die zündenden Ideen. So ist das einzige, was beide miteinander verbindet, der gemeinsame Todestag. Nur wird Keaton Taylor erst in 44 Jahren folgen. Zurück zum Geld und dem drehtechnischen Aufwand: Für „The General“ ließ Keaton 1927 eine echte Lok in einen Fluss stürzen, wobei eine Brücke zu Bruch ging; 1928 inszenierte er in „Steamboat Bill jr.“ einen Wirbelsturm, der ein ganzes Dorf in Schutt und Asche legt. Ein ruinöses Unternehmen für seinen Produzenten Joseph M. Schenck.

Nachdem finanziellen Aufwand der letzten in Eigenregie produzierten Filme Keatons, übergab Schenk seinen Protégé Keaton seinem Bruder, der bei MGM im Management tätig war. Buster Keaton war damals der erfolgreichste Filmkomödiant seiner Zeit, seine letzten Filme waren Kassenmagnete, und so rechnete MGM mit guten Einnahmen – Keaton musste nur von Zeit zu Zeit in die Realität zurückgeholt werden. „The Cameraman“ spielte bei deutlich kleinerem Budget ebenso viel Geld ein wie „Steamboat Bill jr“ ein Jahr zuvor. Der Studiowechsel machte Keaton aber auch klar, dass ihm Stück für Stück die Kontrolle über seine Arbeiten entzogen wurde. MGM hatte einen Schauspieler unter Vertrag. Keaton war ebenfalls Gagschreiber, Drehbuchautor, Regisseur und keinen dieser Posten wollte er freiwillig räumen. So lange die Filme stumm blieben, spielten alle mit. Danach wurde Keaton durch Knebelverträge sukzessiv zurückgebunden. Danach kam dann die Gleichgültigkeit, der Alkoholismus und der Wahnsinn. Aber selbst bei seiner Einlieferung in eine private Nervenheilanstalt ging Keaton leiser und würdevoller als viele seiner Kollegen. So griff Robert Armes zur Gasleitung, Jeane Eagles nahm eine Überdosis Heroin, Karl Dane erschoss sich. Doch Stoneface Keaton war vor und hinter der Kamera ein Überlebenskünstler. Mit seiner Lakonie konnte er die Mächte der Zufalls das ein oder andere Mal bezirzen und lange Zeit blieb er der Maßstab für humorvolle Unterhaltung.

Joris J.

StummfilmLIVEfestival Babylon-Berlin 20. bis 29 Juli, Kino Babylon, Programm unter www.babylonberlin.de

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