Werkschau: Dominik Graf im Zeughauskino
Zwischen Welten
Dominik Graf zählt zu den wichtigsten Intellektuellen des deutschen Kinos. Das betonen deutsche Feuilletons gern, aber es trifft meist doch nicht so recht die Schaffenskraft, die der 1952 in München geborene Regisseur in Wirklichkeit besitzt. Es geht nicht um die Qualität seiner Arbeiten. Die ist unbestritten. Es geht auch nicht um seinen Anspruch an den Film, ebenso nicht um seinen unverfrorenen Wechsel zwischen Kunst- und Unterhaltungskino. Graf ist ein Pendler zwischen zwei Welten, die im deutschen Filmförderkanon oft unvereinbar scheinen: Fernsehen und Kino. Darin brilliert er, wie kaum ein anderer Regisseur in diesem Land. Während sich andere Filmschaffende strikt auf ein Format festlegen, geht Graf die Problematik, die dem deutschen Filmfördersystem entspringt, pragmatisch an: Ist eine Idee aus finanzieller Sicht für das Kino nicht umsetzbar, realisiert er sie eben fürs Fernsehen, ohne dabei an Qualität und Form zu verlieren.
Ebenso übertritt er ein intellektuelles Tabu: „Der Verlust an Trivialität ist dramatisch“, schrieb er im Frühjahr in der „Zeit“ spitzzüngig über den deutschen Film. „Die selbst gewählte Seriosität des deutschen Gegenwartsfilms widerspricht der Sehnsucht nach Spektakel, nach brüllendem Gelächter, nach Jahrmarkts-Schock – alles Grundwesenszüge des Kinos“. Das formuliert selten jemand so schön prägnant. Graf zielt dabei nicht auf den Unterhaltungswert, wie ihn Till Schweiger-Filme produzieren, er mokiert die Lücke, die seit Jahren zwischen Intellekt und Emotion im deutschen Kino klafft.
Am 6. September wird Dominik Graf nun 60 Jahre alt. Ihm zu Ehren hat das Zeughauskino eine Werkschau (1. bis 17. September) zusammengestellt, die eine Vielzahl seiner Kino- und Fernsehproduktionen umfasst. Neben den Polizei- und Kriminalfilmen unter anderem das Coming-of-Age-Drama „Treffer“ (1984), der Historienfilm „Das Gelübde“ (2007), die Melodramen „Deine besten Jahre“ (1999) sowie die dokumentarischen Arbeiten „Das Wispern im Berg der Dinge“ (1997) und „Lawinen der Erinnerung“ (2012). Nicht verpassen sollte man auch Grafs legendären Tatort „Frau Bu lacht“ aus dem Jahr 1995, der dramaturgisch raffiniert, formal kunstvoll und inhaltlich gewichtig wie kaum ein anderer Krimi dieser Reihe ist.
Rechtzeitig zur Retrospektive wird der Sammelband „Im Angesicht des Fernsehens“, herausgegeben von Chris Wahl, Marco Abel, Jesko Jockenhövel und Michael Wedel, erschienen, der aus 16 unterschiedlichen Perspektiven ein Werkporträt Grafs entwirft. Zur (nachträglichen) Feier seines runden Geburtstages werden die Herausgeber das Buch am 8. September in Anwesenheit von Dominik Graf kurz präsentieren, anschließend wird es ein Live-Gespräch mit Dominik Graf geben, bei dem das Publikum die Möglichkeit hat, selbst Fragen zu stellen.
Martin Daßinnies
Werkschau Dominik Graf Zeughauskino, 1 bis 17 September, Programm unter www.dhm.de