The Weimar Touch

Die Retrospektive der 63. Berlinale steht


Filmszene: Peter von Hermann Kosterlitz, Foto: Deutsche Kinemathek

Filmszene: "Peter" von Hermann Kosterlitz, Foto: Deutsche Kinemathek

Die Blütezeit des Weimarer Kinos ist nicht zuletzt der Demokratisierung von Gesellschaft und Kunst zwischen 1918 und 1933 zu verdanken. Das Weimarer Kino ist eines der Vielfalt – erprobte Erzählformen und stilistische Experimentierlust kennzeichnen es gleichermaßen. Es behandelt die soziale Not in den Städten und den subversiven Rollentausch der Geschlechter, kennt Slapstick und Wortwitz, Lachen und Schaudern. Aus der Spannung zwischen Gegensätzen bezog es seine schöpferische Dynamik. Zugleich profitierte das Weimarer Kino schon früh vom internationalen Austausch und den Aktivitäten deutscher Filmschaffender im Ausland.

Doch mit der Machtübernahme des NS-Regimes 1933 begann die Gleichschaltung der deutschen Filmindustrie. Nur anfangs entstanden noch Filme, die von der Weimarer Tradition zehrten. Mehr als 2000 Filmschaffende vor allem jüdischer Herkunft mussten in den kommenden Jahren emigrieren. Die meisten Emigranten suchten in Europa und in den USA einen Neuanfang oder knüpften dort an bestehende Beziehungen an.

Das Kino der Weimarer Republik und das Filmexil sind wesentliche Sammlungs- und Forschungsschwerpunkte der Deutschen Kinemathek, die im Jahr 2013 ihren 50. Geburtstag feiert“, so Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen. „Wir haben hierzu die international wohl umfangreichste Sammlung aufgebaut und in filmgeschichtlichen Standardwerken zugänglich gemacht. Wie viele Retrospektiven in der Vergangenheit, so schreibt auch ‚The Weimar Touch‘ diese Tradition fort und lenkt zugleich den Blick auf neu zu entdeckende Filme.“

Gezeigt werden 33 Filme in den fünf Kapiteln „Rhythm and Laughter„, „´Unheimlich´– The Dark Side„, „Light and Shadow„, „Variations“ und „Know Your Enemy„. Unter der Überschrift „Rhythm and Laughter“ sind Filme versammelt, die an Tonfilmoperette, Musikfilm und Filmkomödie anknüpfen – Genres des Weimarer Kinos, die maßgeblich von jüdischen Filmschaffenden geprägt wurden. Zu entdecken ist hier „Peter“ (Österreich/Ungarn 1934) von Hermann Kosterlitz. In der ausgeprägt sozialkritischen Filmkomödie mit Anklängen an die Tonfilmoperette spielt Franzisca Gaál eigenwillig und berührend zugleich die Titelrolle, eine „Hosenrolle“. Eine Wiederentdeckung ist der erst jüngst restaurierte niederländische Film „Komedie om Geld“ („Komödie um Geld„, 1936) von Max Ophüls. Kameramann war der spätere Oscar-Preisträger Eugen Schüfftan. In der Retrospektive darf Billy Wilder nicht fehlen, dessen Film „Some Like It Hot“ („Manche mögen’s heiß„, USA 1959) im amerikanischen Kontext den subversiven Humor und die frivole Travestie des Weimarer Kinos aufgreift.

´Unheimlich‘ – The Dark Side„: Die dunkle Seite von Psyche und Gesellschaft war das Thema von beängstigend dichten Kriminalfilmen der dreißiger Jahre. Ihre Einflüsse prägten im Amerika der Nachkriegszeit das Genre des Film noir aus, die Regisseure waren zumeist deutsche Filmemigranten. So drehte Robert Siodmak noch im Pariser Exil den Film „Pièges“ („Der Fallensteller„, Frankreich 1939). Unter dem Titel „Variations“ sind Remakes des Weimarer Kinos zu sehen sowie Filme, die ihre Vorbilder variieren. Hierzu zählt beispielsweise Joseph Loseys 1951 uraufgeführte Neuverfilmung von Fritz Langs gleichnamigem Klassiker „M“ (1931). Und „First a Girl“ (GB 1935) von Victor Saville basiert auf Reinhold Schünzels Viktor und Viktoria (Deutschland 1933).

„Know Your Enemy“ stellt Filme vor, die gegen das NS-Regime Position bezogen. Ernst Lubitschs Klassiker „To Be or Not to Be“ („Sein oder Nichtsein„, USA 1942) steht dabei neben Ludwig Bergers fast unbekanntem „Ergens in Nederland. Een film uit de Mobilisatietijd“ (Niederlande 1940). Das Beziehungsmelodram thematisiert die drohende deutsche Invasion, die im Mai 1940 tatsächlich erfolgte. „Casablanca“ (USA 1942) von Michael Curtiz, herausragend besetzt mit fast ausnahmslos europäischen Schauspielern, ist unbestritten der populärste aller Emigranten-Filme.

Berlinale-Direktor Dieter Kosslick freut sich über die gemeinsam von der Deutschen Kinemathek und dem Museum of Modern Art, New York, kuratierte Retrospektive: „In der Weimarer Republik wurde die gesellschaftliche und künstlerische Relevanz des Films evident und es wurde Filmgeschichte geschrieben. In der Retrospektive ist der Einfluss dieser Filmepoche auf das internationale Filmschaffen zu entdecken.“

Die Filmvorführungen der Retrospektive finden im CinemaxX am Potsdamer Platz und im Zeughauskino statt. Das Programm wird ergänzt durch Veranstaltungen in der Deutschen Kinemathek. Zur Retrospektive erscheint eine Broschüre. Die Filmreihe der Retrospektive wird ab April 2013 auch im MoMA New York gezeigt werden.

Die 63. Berlinale findet vom 7. bis 17. Februar 2013 statt.

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