Festivalbericht zum Korean Cinema Today 2013

Auf Spurensuche


Im Film „National Security“ lässt Regisseur Chung Ji-young stellvertretend für etliche Folteropfer der 80er Jahre den Pro-Demokraten Kim Geun-tae zwei Stunden lang foltern. Hilflos muss der Zuschauer mit ansehen, wie sadistische Wärter, die mit dem Foltergeständnis ihre Beförderung erhoffen, auf immer perfidere Ideen sinnen, um ihr Opfer zu demütigen. Unnötig, die brutalen Methoden zu erwähnen, die bis heute in Diktaturen geläufige Praxis sind, wie der Regisseur (selbst Folteropfer) im anschließenden Filmgespräch erinnert. Sein erklärtes Ziel: Die Wahlen nachhaltig zu beeinflussen oder zumindest die Politik und Präsidentschaftskandidaten zu Stellungnahmen insbesondere zum bis heute aktiven und umstrittenen National Security Law zu zwingen. Bis auf einen Fall sei dies auch gelungen. Doch diese Person ist nun an der Macht und eine wirkliche Aufarbeitung der dunklen Kapitel südkoreanischer Geschichte sei weiterhin nicht in Sicht, da sie den Interessen von einflussreichen Kreisen entgegensteht, die insbesondere mit der Regierungspartei und deren Vorsitzender verbandelt sind.

Es sind allein nicht nur die Blicke in die Vergangenheit und das Bestreben danach die dunklen Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten, die sich u.a in den Filmen „Jiseul„, „National Security“ und „Tour of Duty“ widerspiegeln, sondern auch global gegenwärtige Phänomene. Der außergewöhnliche und berührende Dokumentarfilm „Forest Dancing“ zeigte, wie sich ein Seouler Stadtteil mit unglaublicher Kraft und viel Einfallsreichtum gegen die Investorenpläne der Landesregierung stemmt, um die Bewohner ihre nahezu autark organisierte Kommune und den ältesten Berg Seouls gegen den Bau einer überdimensionierten Privatschule verteidigen.

Wie einschneidend der Druck in der stark klassenorientierten koreanischen Gesellschaft ist, zeigten apokalyptische Filme, wie „Pluto„, „King of Pigs“ oder „Sunshine Boys„. Letztendlich gab Schauspieler und Regiedebütant Yoo Ji-tae nach seinem Film „Mai Ratima“ noch einen persönlichen Einblick in die derzeitige Situation des koreanischen Films, der mit Blockbustern immer stärker auf den internationalen Markt drängt. Sein Film, in dem er das Leben und die erbrachten Opfer illegaler Migranten in Korea beschreibt, hatte große Probleme eine Finanzierung zu finden. Trotz der Popularität des Regisseurs war niemand bereit, das Projekt ohne das Idealbild eines Migrantenlebens, das damit stellvertretend für die scheinbar erfolgreiche Migrationspolitik im Land stehen sollte, zu finanzieren.

So musste, unter anderem auch beim Casting der Hauptdarsteller, sehr oft improvisiert werden, was Yoo Ji-tae aus Gründen der Qualität, wie er sagt, nie wieder machen würde. Ein offenbar für die koreanische Gesellschaft wichtiger Film, der gesellschaftliche Tabus bricht, doch für das europäische Auge einen etwas zu naiven Ton anschlägt. Dennoch ist es ein Glück, dass sich gesellschaftskritische und tabu-brechende Filme wie diese immer wieder ihren Weg ins Kino bahnen und sich deren Regisseure für mehr Aufklärung einsetzen.

SuT

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