Festivalleiterin Julia Kuniß im Interview zur 9. Russischen Filmwoche

Ein ausgewogenes Bild von Russland und russischer Kinematographie


Julia Kuniß (Foto) leitet gemeinsam mit Anna Leonenko die Russische Filmwoche in Berlin.

Julia Kuniß (Foto) leitet gemeinsam mit Anna Leonenko die Russische Filmwoche in Berlin.

Die Russische Filmwoche in Berlin (27.11. bis 4.12.2013) hat es im neunten Jahr bereits zu einer Institution in der Berliner Festivallandschaft gebracht. Julia Kuniß, eine der beiden Festivalleiterinnen, stand uns im Interview Rede und Antwort.

Die Russische Filmwoche ist traditionell mit einer großen Bandbreite an Genres aufgestellt – Biopic, Romantische Komödie, Horror, Historienfilm, Drama. Folgt ihr bei der Filmzusammenstellung einem gewissen System oder sehen wir einfach die besten russischen Filme des letzten Jahres?
Julia Kuniß:
Diese Vielfalt ist kein Zufall, wir versuchen immer, eine möglichst breite Genre-Palette zu präsentieren, um alle Zuschauer zu erreichen. Aber wir wollen diese Vielfalt nicht erzwingen, wir können nur aus dem auswählen, was im aktuellen Jahr produziert wurde. Höchste Priorität hat die Qualität der Filme – dem Genre entsprechend. In diesem Jahr haben wir besonders viel Glück, dass wirklich viele gute Filme unterschiedlicher Genres produziert wurden. Die Kassen-Erfolgsfilme des Jahres in Russland, die Komödie „Bittersüße Hochzeitsküsse„, das Biopic „Die Legende Nr. 17“ und der Katastrophenfilm „Metro„, sind alle sehr solide gemacht und sprechen ganz unterschiedliche Zuschauergruppen an. Das sind nur ein paar Beispiele, alle Filme sind total unterschiedlich und alle gut. In diesem Jahr bin ich mit dem Programm richtig glücklich.

Anders als viele andere Filmfestivals in Berlin schreckt ihr nicht vor großen Produktionen und Blockbustern zurück. Gab es nie Überlegungen die Russische Filmwoche im reinen Arthouse-Bereich anzusiedeln und musstet ihr Kritik einstecken, weil ihr das nicht tut?
Nein, reines Arthouse sieht man oft genug auf allen internationalen Festivals, das ist aber nur ein Teil des russischen Kinos. Unser Konzept war von Anfang an, eine möglichst breite Palette zu zeigen, damit die Zuschauer wirklich ein ausgewogenes Bild von Russland und russischer Kinematographie bekommen. Große Produktionen und Blockbuster kommen sonst hierzulande nie in die Kinos. Das wird sehr gut angenommen – und zwar nicht nur vom Publikum, wohl gemerkt. Sehr oft bekommen wir Anfragen von Kritikern, die sehr gerne gerade diese Filme Sichten möchten, da sie diese sonst nirgendwo zu sehen kriegen.

Ein langes und glückliches Leben“ lief auf der Berlinale, „Der Geograf, der den Globus austrank“ wird auf Festivals gefeiert und gewann u. a. den Hauptpreis in Cottbus, andere Filme waren in Russland kommerziell sehr erfolgreich. Traut ihr einem der Filme einen regulären Kinostart in Deutschland zu?
Durchaus. Eine Sache ist, in den Verleih zu kommen und die andere im Verleih erfolgreich sein. Ich verfolge regelmäßig die Kritiken zu Filmen, die jede Woche in den deutschen Kinos starten. Ich muss sagen, einigen unserer Filme würde ich vor diesem Hintergrund, bei entsprechenden PR-Kampagne – denn die Wahrnehmungsstereotypen sind leider noch viel zu stark – durchaus zutrauen, einen Verleih zu finden. Ob sie erfolgreich werden, hat damit zu tun, wie man sie herausbringt.

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