Interview mit Jan Soldat zu „Der Unfertige“

Die Verschleierung von Sex in Spielfilmen nervt


Der Regisseur und Drehbuchautor Jan Soldat ist 1984 in Karl-Marx-Stadt geboren. Seit 2006 produziert er Kurzfilme in der Chemnitzer Filmwerkstatt und studiert seit 2008 an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) Konrad Wolf. „Der Unfertige“ ist sein Abschlussfilm. Gerade war er Mitglied der Internationalen Jury der Sektion Generation 14plus der 64. Berlinale.
Im Interview sprechen wir mit Jan Soldat über sein Selbstverständnis als Dokumentarfilmer, die Grenzen des Filmemachens und über seinen neusten Film „Der Unfertige„, der am 24. März an der Volksbühne am Rosa-Luxemburgplatz seine Deutschlandpremiere feiern wird.

Der Unfertige“ ist im November 2013 auf dem Filmfestival in Rom gelaufen und hat den Preis für den besten mittellangen Film bekommen. Wie wurde er vom Publikum aufgenommen?
Jan Soldat:
Richtig gut. Ich hatte den Eindruck, dass dort erkannt wurde, worum es mir geht – um Respekt Klaus gegenüber. Die Stärke des Films liegt gerade darin, dass ich Klaus komplett zeige. Auch die Arbeit mit der Kamera wurde gewürdigt: Die klaren und einfachen Bildkompositionen, waren für mich ein Mittel, um mich seiner Würde und Souveränität anzunähern. Es kamen teilweise Bemerkungen, dass es ein sehr christlicher Film sei, dass es darin auch um den Glauben gehe. Wir haben uns durch die positiven Reaktionen und den Preis sehr geehrt und verstanden gefühlt.

Der Unfertige“ – wieso heißt der Film so?
Weil Klaus das selbst zu sich sagt. Dieses Gemachte, dieses Unfertige, das fand er für sich und seinen Körper passend. In der Schwangerschaft ist seine Mutter gestürzt und dadurch wurde seine rechte Körperhälfte sichtbar beeinträchtigt. Die Bezeichnung ist für ihn ein Eingeständnis dieser Unvollkommenheit, in der er auch Schönheit entdeckt. Das hat mich persönlich beeindruckt. Auch für meinen dokumentarischen Ansatz und mein Selbstverständnis als Regisseur empfand ich dieses Unfertige als etwas Erstrebenswertes. Der Film hat in sich eine Geschlossenheit und doch empfinde ich das Dokumentarische an sich als etwas Unvollkommenes. Das einzugestehen, erleichtert mich bei meiner Arbeit.

Wie bist du auf Klaus gekommen?
Bei „Gay Romeo“ habe ich gezielt nach Sklaven gesucht. Klaus bezeichnete sich dort als „Gollum“ und als „unangepassten Typen“. Sein Gesicht wirkte auf mich sehr eindringlich und er posierte angekettet, was auf mich befremdlich und zugleich faszinierend wirkte. Als ich mich zu ersten Mal mit ihm traf, öffnete er nackt die Tür und wir tranken Kaffee. Mich beeindruckte vor allem seine Körperlichkeit. In der SM-Szene setzen sich viele mit dem Thema Schmerz intellektuell auseinander. Das fängt bei Sartre an und hört vielleicht bei den transzendentalen Techniken des Buddhismus auf. Klaus hingegen kettet sich an, rasiert sich die Haare und will einfach Sklave sein – sein Körper drückt das aus.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit Klaus?
Der Film war eine gemeinsame Erarbeitung: In einem Interview entwickelten Klaus und ich ein Gefühl für einander, für das, was mich an ihm interessiert und umgekehrt. Er hat mir von seiner Heimatstadt erzählt und mir Familienfotos gezeigt. Damit dies für den Zuschauer kein Konstrukt bleibt, war klar, dass ich sehen muss, wie er ausgepeitscht wird, um ihm zu glauben. Ich musste zeigen wie er das auslebt, sonst könnte der Eindruck entstehen, das sei nicht echt. Daher die Bilder bei seinem Meister und im Sklavenlager.

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