filmPOLSKA 2014: Sławomir Shuty im Club der polnischen Versager

Film als Psychotrip


filmPOLSKA bringt Off-Kino aus Polen nach Berlin und zeigt "Das psychedelische Kino des Sławomir Shuty".

filmPOLSKA bringt Off-Kino aus Polen nach Berlin und zeigt „Das psychedelische Kino des Sławomir Shuty“.

Als Amateur beschreibt sich Sławomir Shuty gerne. Mit diesem Understatement ist der Regisseur, Schriftsteller, Fotograf und Performance-Künstler mit den schlabberigen Jeans und der zerzausten Mähne im Club der polnischen Versager offensichtlich gut aufgehoben. „Das psychedelische Kino des Sławomir Shuty„, der Titel mit dem seine drei Filme angekündigt sind, komme nicht von ihm, sondern von einem Kurator, sagt er während des Publikumsgesprächs mit Moderator Adam Gusowski. Dennoch passt die Bezeichnung: Die klassischen Elemente des psychedelischen Kinos – halluzinogene Horrortrips, euphorische Allmachtsfantasien, erhöhte Wahrnehmung – finden sich in Shutys Filmen wieder. Vor dem Publikum, unter der bunten Lichtkonstruktion, die mit jedem Klatschen eine andere Farbe annimmt, wirkt er beinahe etwas verloren. Zum Glück steht ihm Adam Guskowski zur Seite, der mit den Worten: „Was ist Kultur ohne Geld? Immer noch Kultur. Was ist Kultur mit Geld? Kommerz“, das OFF-Kino und den Ort, an dem es präsentiert wird, auf einen Nenner bringt.

In der sperrigen, zum Filmtheater umfunktionierten Bar ist die Projektion ebenso schräg wie der Inhalt der Filme. Warum gerade „Luna“ (2006), „Pokój“ (2011) und „Trip“ (2012) für filmPOLSKA ausgewählt wurden? Weil es die einzigen Filme mit englischen Untertiteln sind.

David Lynch meets Mumblecore

In dem Kollektivfilm „Luna„, den Shuty mit dem Cyrk z Huty (Zirkus Shuty) realisierte, wird die fiktive Reise durch Polens verlassene Ecken für vier trinkfeste Freunde zum grässlichen Alptraum. Alles fängt ganz harmlos an: Vier Männer, ein schwarzer Passat, kein Plan wohin.

In einem kleinen Laden wird Proviant gekauft und die feiste Blondine hinter der Theke angemacht. Die Stimmung kippt: Schnelle Schnittfolgen zeigen groteske Close-Ups auf sich windende Zungen, erweiterte Pupillen, blutverschmierte Äxte, Messer, Körperteile – kurzum verstörende Visionen, die aus einem David Lynch Film stammen könnten. Ob die Blondine später von den unsympathischen Anti-Helden umgebracht wird, bleibt unklar. Weiter geht die Reise Richtung Nirgendwo. Und Nirgendwo ist in diesem Fall das Haus eines alten Mannes, der sich niemals ohne Sonnenbrille zeigt. Er lädt die Freunde auf Tee, später Bier und Wodka ein und erzählt von einem magischen Ort, an dem etwas begraben liegen soll. So nimmt der Psychotrip eine erneute Wendung: Das Graben gleicht einem Bohren in der eigenen Psyche. Was dabei herauskommt? Reine Fiktion.

Das Zusammenkommen von Parallelwelten interessierte Shuty bei „Luna“ am meisten, sagt er mit sicherer Distanz über dieses relativ frühe Werk in seiner Filmografie. Musikalisch werden die Bilder mit elektronischen Klangmustern komplettiert, die von einem befreundeten DJ stammen. Das Zusammenspiel von Video und Audio erinnert an die Arbeiten von Chris Cunningham. Überhaupt sei das Kollektive am Filmemachen essenziell. Das hat aber auch seine Nachteile: Einige Längen habe der 64-minütige Film für ihn noch, sagt er im Publikumsgespräch, und nimmt sogleich die erste Kritik des Abends vorweg. Nach „Luna“ hat sich das ursprüngliche Publikum wesentlich verkleinert. Es sind besonders die surrealen Sequenzen, die den ansonsten handlungsarmen und zeitlich überdehnten Film retten. Aber vielleicht sind es gerade diese gefühlten Längen, die den psychedelischen Verlust von Zeitlichkeit spürbar machen.

Die Produktionsbedingungen des Films spiegeln sich in „Luna“ wieder, den Shuty mit Freunden an vier Tagen mit viel Bier und einem Drehbuch von nur einer Seite drehte.

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