10. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen

Beziehungsdramen am deutschen Kies-Strand


"Wolfskinder" von Rick Ostermann blickt zurück auf ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte. Foto: Zoom Medienfabrik

„Wolfskinder“ von Rick Ostermann blickt zurück auf ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte. Foto: Zoom Medienfabrik

Rick Ostermanns „Wolfskinder“ (jüngst mit dem Nationalen Nachwuchspreis beim Filmfest München bedacht) hätte dem vielleicht etwas entgegen setzen können, doch das Filmteam hat sich stattdessen für die parabelhafte Leidensgeschichte zweier Brüder entschieden, die in ihrer knallharten Schwarz-Weiß-Zeichnung geradezu ertrinkt. Die Brüder Hans und Fritz werden zu Waisen – nicht ohne dass ihnen die Mutter noch auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen hat, zusammen zu bleiben und einen bestimmten Bauernhof in Litauen zu finden, auf dem sie sicher sind. Auf ihrer Flucht werden die beiden getrennt und treffen andere Wolfskinder. Dabei sind alle Russen, die ihnen begegnen, gewissenlose Schlächter, die die Wolfskinder mir nichts dir nichts abknallen, außerdem Vergewaltiger (weibliche Leichen haben blutverschmierte Oberschenkel), die den deutschen Kindern den Garaus machen wollen. Wenn dann noch die Mutter anfangs die Jungs an ihre schönen, deutschen Namen erinnert und mahnt, nicht zu vergessen, “Wer ihr seid“ – eine Beschwörung, die auch noch einmal in der Schlussszene aufgegriffen wird – sollte auch der letzte Groschen gefallen sein: „Wolfskinder“ erzählt keine deutsche oder europäische Geschichte in differenzierten Grautönen, vielmehr versucht der Film das Bild des deutschen Opfers und des russischen Täters nachhaltig zu etablieren. Das ist himmelschreiender geschichtsklitternder Kitsch. Und ein Kinostart in einer Zeit, in der die Ukraine-Krise den politischen Diskurs bestimmt, ist gelinde gesagt: eine ziemliche Zumutung.

Weiterlesen: Unsere Autorin Alina Impe hat „Wolfskinder“ ganz anders wahrgenommen. Hier ihre Kritik „Hunger und Instinkt.

Vielleicht, so muss man traurigerweise sagen, ist der deutsche Film doch da am stärksten, wenn er die Politik gänzlich meidet, nämlich im heißgeliebten Genre des Beziehungsdramas. Denke ich mir so und schaue Alexandre Powelz‘ „Ohne Dich„, den neuen Film mit Katja Riemann und Charly Hübner. Der Film hat mit einigen Schwächen zu kämpfen – unter anderem den stereotypen Handlungsschemata, man müsse kathartische afrikanische Stammestänze aufführen und mal schön einen durchziehen, wenn es schlecht läuft – und ist doch am Ende oft gelungen, besonders, wenn die Beziehung der an Krebs erkrankten Rosa (Riemann) und Marcel (Hübner) beschrieben wird.

Weiterlesen: Marie Ketzschers ausführliche Kritik „Dem Verlust in die Augen schauen“ zu „Ohne dich„.

Ein ziemliches Highlight ist überdies der in der Reihe „Wiedersehen“ laufende „Renn wenn du kannst“ (2010) mit Robert Gwisdek (alias Käptn Peng) und Anna Brüggemann, die mit ihrem Bruder Dietrich, dem Regisseur, auch das Drehbuch geschrieben hat. Die Story hätte Potential für Tränendrüsenakrobatik: Der misanthropische Zyniker Ben bekommt einen neuen, idealistischen Zivi Christian (Jacob Matschenz), beide verlieben sich in die gleiche Frau, die schöne Musikstudentin Annika (Brüggemann). Dank der schön konzipierten Dialoge, einem überdies intelligenten Drehbuch und immens viel Humor ist „Renn wenn du kannst“ entsteht geradezu zeitloses, internationales Unterhaltungskino.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Robert Gwisdeks grandioser Dachschaden zu dem Kurzfilm „Circuit“ von Robert Gwisdek, der bei achtung berlin 2014 den Kurzfilmpreis gewann.

Wie schade, dass sich damit kein Festivaltag beschließen ließ. Stattdessen der ärgerliche „Wolfskinder“ und das immense Bedürfnis, ein großes Bier zu vertilgen und Fußball zu schauen. An der Rhein-Promenade vor dem Ruder-Verein trinken drei ältere Herren in den Feierabend. Auf meine Frage, wo man denn hier in Ludwigshafen eine annehmbare Fußballkneipe mit genießbarem Bier fände, ernte ich ein “Oh, das ist aber eine gute Frage.“ und den Tipp, doch beim Festival im Fußballzelt zu gucken. Es gibt ein Fußballzelt? Warum habe ich das nicht wahrgenommen? Es ist mir jedenfalls nicht nach Rückkehr, ich ziehe ein Innenstadtlokal vor und im Anschluss das durchgelegene Hotelbett, das seinen Namen wahrlich nicht verdient.

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