10. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen

Beziehungsdramen am deutschen Kies-Strand


Das Destival des deutschen Films findet in großen Kinozelten am Rheinufer statt. Foto: Marie Ketzscher

Das Destival des deutschen Films findet in großen Kinozelten am Rheinufer statt. Foto: Marie Ketzscher

Deutschland, vom Liegestuhl aus betrachtet

Am Samstag ist Ludwigshafen wieder ganz sonnenbeschienen, aus dem Fenster des Café Ludwig hängt ein grauhaariger Typ mit den ersten Schlieren in den Augen wie Frau Holle höchstpersönlich. Es ist noch wenig los, um zehn auf der Rhein-Insel – meinen Cappuccino trinke ich quasi allein, es gibt ein bisschen Small Talk mit den Damen vom Akkreditierungsschalter (die im Übrigen allesamt Freundlichkeits-Medaillen bekommen sollten, ehrlich!). Danach Cynthia Beatts „Ein Haus in Berlin„. Wahrscheinlich chancenlos im Wettbewerb und dennoch: Eine beherzte, engagierte Perle, die es sogar mit der Politik versucht und nicht daran scheitert: die Engländerin Stella erbt ein Haus in Berlin, das dem Bruder ihres Großvaters gehört hat, der als Jude enteignet wurde und der erst in Folge eines Restitutionsprozesses wieder in den Besitz des Hauses gelangte. Stella stellt Nachforschungen an – über die jüdische Geschichte Berlins, ihre eigene Herkunft, das Erbe der Vertreibung, das bis in die heutige Zeit an verschiedenen Orten auf der Welt wirkt. Und sie stellt fest: Sie will das baufällige Haus eigentlich gar nicht verkaufen. „Ein Haus in Berlin“ ist ein dokumentarischer, mit Erzählstimme unterlegter, Spielfilm, der vor allem dadurch beglückt, dass er persönliches Schicksal und historisches Narrativ so gut zu verknüpfen weiß. Ein berührender, ein guter Film.

Ich winke den Pressedamen noch einmal und trete den kurzen Heimweg an, auf dem ich Böhse Onkelz-Fans kurz mit Fußball-Prolls verwechsle, weil sie irgendwelche kruden Deutschland-Gesänge anstimmen. Und ich denke mich kurz auf die Strandkiesel auf der Rhein-Insel zurück, an dem so ein bierseliges Proletentum wohl – trotz der mich persönlich nicht zufrieden stellenden Programmkonstellation – Gott sei Dank nicht möglich wäre. Man reiche mir einen Hugo.

Marie Ketzscher

Das 10. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen findet von 18. Juni bis 6. Juli 2014 statt.

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