Interview mit „Clever“-Regisseur Federico Borgia


"Clever"-Regisseur Federico Borgia beim Black Movie Festival. Foto: Teresa Vena

„Clever“-Regisseur Federico Borgia beim Black Movie Festival. Foto: Teresa Vena

Auf dem Black Movie-Festival in Genf hat Berliner Filmfestivals Federico Borgia, Regisseur der Komödie „Clever„, getroffen und mit ihm über Bodybuilding, den südamerikanischen Machismus und den Prozess des Filmemachens im Allgemeinen gesprochen.

Wie entstand die Idee zu „Clever“?
Federico Borgia:
Guillermo (Madeiro) und ich wollten in erster Linie einen Film machen. Es war von Anfang an klar, dass wir mit wenigen Mitteln auskommen werden müssten. Wir fingen also an, durch die Straßen von Montevideo zu wandern und hielten nach Orten Ausschau, die uns inspirierten. Auf diese Weise stießen wir als erstes auf das Kampfsportstudio, in dem Clever im Film dann Taekwondo unterrichtet. Es ist zwar insgesamt im Film nicht so prominent, aber dieser Sportclub fungierte als Startschuss für die Geschichte. Wir begannen, uns vorzustellen, wie die Figur Clevers, der vorher noch verschiedene andere Namen hatte, sein könnte.
Dank eines Hinweises meiner Schwester fanden wir im Anschluss ein Dorf, das hervorragend für den Dreh geeignet war. Vor Ort stießen wir auf ein kleines Haus, das als Fitnessraum genutzt wurde und ähnlich wie dann im Film eine Bemalung in Form eines muskulösen Armes hatte. Da kam auch der Bodybuilder ins Spiel. Alles fügte sich irgendwie fast von selbst zusammen, dass wir auch erst jetzt genau merken, was das entstanden ist. Denn konkrete Themen wollten wir bewusst nicht ansprechen, im Austausch mit dem Publikum realisieren wir, was eigentlich alles vorhanden ist.

Weiterlesen: Unsere Kritik zu „Clever“

Welche Autoren haben einen Einfluss auf euer filmisches Schaffen?
Da wir sehr lange an diesem Film gearbeitet haben, kamen viele Einflüsse zusammen. Mir gefielen die Coen-Brueder immer sehr, Lynch auch und vor allem Ulrich Seidl. Vielleicht sieht man das im Film nicht. Dann gibt es auch einen Argentinier, den ich sehr mag, Martin Rejtman. Er ist mit Paul Thomas Anderson eine der aktuellsten Vorbilder. Aber die Einflüsse sind mehr unterbewusst, wir möchten zum Beispiel keine Szenen im Stil von drehen.

Weiterlesen: Unser Interview mit dem Regisseur Martin Rejtman

Der Film vereint verschiedene Mikrokosmen: Die Faszination für Autos, den Sport des Bodybuildings oder des Kampfsportes und das ländliche Leben. Ist denn so eine Mischung realististisch für Uruguay?
Klar, das ist ein traditionelles machistisches Klischee. Aber von Anfang an sollte der Film nicht einen realen Bezug zur Realität in Uruguay herstellen, es sollte klar eine Fiktion bleiben. Zu einem gewissen Zeitpunkt wollten wir den Film als Animation machen, da wir dachten, dass es besser für die Figuren sei. Das Dorf existiert beispielsweise nicht, der Name ist erfunden. Auch der Rest ist alles erfunden. Wir wollten, dass der Film etwas Allgemeingültiges bekommt, denn ich nehme an, dass diese Faszination für getunte Autos beispielsweise überall existiert. Während der Filmarbeiten schickte mir eine Bekannte ein Video, das irgendwo in Europa aufgenommen wurde, in dem solche Autofreaks die Lautstärke ihrer Motoren auf Band aufnahmen und daraus einen Wettbewerb machten.

Vermutlich sind diese Kreise einfach zu weit weg vom durchschnittlichen Europäer?
Montevideo ist sehr klein, es gibt einen Platz an dem sich die Autofans versammeln und sie sind unweigerlich ein Teil der Stadt. Aber auch wir kennen dieses Universum nicht von nahem. Wir kennen es als Beobachter. Deswegen zeigen wir diese Welt nicht im Detail, sondern konzentrieren uns auf eine Figur, die diese Besessenheit für ihren Wagen hat. Dies macht es auch einfacher, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Denn es könnte sich um irgendein anderes Objekt oder Thema handeln, für das man einen gewisse Sucht entwickelt. Irgendwann dachten wir auch, dass das Bemalen des Autos im Film unsere eigene Arbeit der Filmproduktion widerspiegelt. Wir hielten auch an diesem langjährigen Projekt fest, das im normalen Leben wie etwas Absurdes anmutet. Dieser Prozess wirft viele Fragen auf, es beginnt spielerisch, aber man verliert sich auch teilweise darin. Man ist erstaunt, über die scheinbare Eigenentwicklung des Ganzen.

„Clever“ sieht als Protagonisten Figuren, mit denen man auf Anhieb nicht viel gemeinsam hat und doch identifiziert man sich schnell mit Clever oder Sebastian.
Mit der Zeit merkte ich, dass es für mich sehr einfach war, mich mit zwanghaften Dingen oder Verhaltensweisen zu identifizieren. Deswegen auch der Vergleich mit dem Filmemachen. Vermutlich kennt das jeder, dass man sich sagt, ich weiss nicht, wieso ich es mache, aber es gefällt mir und ich will es unbedingt zu Ende bringen.
Aber es gibt noch einen anderen Aspekt, der uns die beiden Charakteren nahebringt. Sowohl Clever als auch Sebastian fühlen sich von ihrem Umfeld nicht gebührend gewürdigt. Dank ihres Zusammentreffens würdigen sie sich auf eine gewisse Art gegenseitig. Dieses Bedürfnis sich durch andere oder etwas gewürdigt zu fühlen, ist vermutlich universell. Deswegen können wir uns mit den Figuren identifizieren.

Ein eine Stärke des Filmes ist es, dass es kein klassisches versöhnliches Ende gibt. War es schwierig, dieser allgemeinen Tendenz bei Komödien zu widerstehen?
Das war nicht schwer. Wir haben fast das Gegenteil des Erwarteten gemacht. Die Figuren stehen am Schluss eher schlechter da als am Anfang. Zwischenzeitlich scheint es, als ob Clever etwas lernen würde, aber dem ist nicht so. Wahrend des Schnitts hat uns jemand gesagt, dass der Film dort enden sollte, als sich Vater und Sohn beim Autoscooter amüsieren, damit es versöhnlicher ausgehe. Aber sowohl mir, und ich denke auch Guillermo, gefallen die klassischen Komödien nicht. Es gibt vielleicht eine oder zwei, die ich schätze. Aber die klassische Entwicklung zur moralisierenden Handlung und zum Happy End sind mir zu aufgesetzt, voraussehbar. Der Schluss des Films schien uns richtiger für den Protagonisten.

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