Bilanz der 73. Internationalen Filmfestspiele von Venedig

Der Zauber des Lido bleibt


la_biennale_2016Zum 73. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1932 haben die Filmfestspiele in Venedig für zehn Tage ihr Auge auf das Weltkino gerichtet und den Lido mit 55 Filmen allein im offiziellen Wettbewerb volllaufen lassen. Die Bandbreite reichte von Musicals über Kostümdramen, Dokus bis hin zum Mockumentaries und Biopics. Möglicherweise zählt dieser Jahrgang zu den besten seit Jahren. Schon am Eröffnungsabend sah die Sektion des Wettbewerbs sehr vielversprechend aus und die 20 Spielfilme, die ins Rennen um den Goldenen Löwen gingen hielten den hohen Erwartungen stand. Auf dem Programm standen etablierte Regisseure (darunter Terrence Malick, Emir Kusturica, Wim Wenders), einige davon bereits vom Festival in der Vergangenheit preisgekrönt wie Andrei Kontschalowski (Silberner Löwe, 2014) oder Tom Ford (Coppa Volpi für besten Hauptdarsteller bei Regiedebüt „A Single Man„, 2009) und andere, die erstmals Gast am Lido waren wie Amat Escalante oder Ana Lily Amirpour.

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Geschichte, Religion, Literatur und Musik waren vier der großen Leitmotive der 73. Festivalausgabe. Die Kostümdramen wie „Frantz“ (Francois Ozon) und „On The Milky Way“ (Emir Kusturica) erzählten warnend von der Entmenschlichung in Kriegszeiten, während das Thema Religion im Fokus der Filme von „El Cristo Ciego“ (Christopher Murray) oder im Western „Brimstone“ (Martin Koolhooven) stand.
Daneben stachen aus dem Programm die literarischen Werke Tom Fords mit „Nocturnal Animals“ und „El Ciudadano Ilustre“ des argentinischen Duos Gastón Duprat und Mariano Cohn hervor. Das Märchen der beiden Argentinier überzeugte mit seinem Mix aus Nostalgie und Witz. Er wird mit Sicherheit demnächst ein breites Publikum verzaubern.
Damien Chazelles Eröffnungsfilm „La La Land“ gab die Tonart vor, für ein Festival, in dem sehr viel gesungen und getanzt wurde. Die Musik spielte im 2016er Venedig eine markante Rolle, am stärksten in Chazelles Musical „One More Time with Feeling„, Andrew Dominiks erschütterndem Out of Competition-Dokumentarfilm über Nick Caves neues Album und seinem Umgang mit dem Verlust seines fünfzehnjährigen Sohnes.

Neben einigen Enttäuschungen im Programm, deren größte wohl Wim Wenders „Les Beaux Jours d’Aranjuez“ war, ein überstrapaziert abstrakter Spielfilm, der an die Qualität früherer Werke nicht heranreichte, fanden sich aber auch einige echte Filmschätze. Tom Ford bestätigte mit „Nocturnal Animals“ den Erfolg seines visionären Filmdebüts und lässt auf mehr vom Modedesigner, der sich zum Regisseur mauserte, hoffen. Paolo Sorrentinos Fans konnten sich erneut davon überzeugen, dass der italienische Oscarpreisträger, der auf den Festspielen seine TV-Serie „The Young Pope“ präsentierte – auch auf dem kleinen Bildschirm so gut ist wie auf der großen Leinwand. Denis Villeneuves unkonventioneller und verblüffender Sci-Fi- Beitrag versprühte frischen Wind für das im allgemeinen mit CGI-Aliens übersättigte Genre. Und mit Pablo Larrains ergreifendem Biopic „Jackie“ zeigte das Festival einen Film im Programm, der das Publikum zu Tränen rührte. Mit ihrer erhabenen und unvergleichlichen Darstellung der Jacqueline Kennedy geht Natalie Portman vermutlich ins Rennen um den Oscar für die beste Hauptdarstellerin.

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