Bilanz der 73. Internationalen Filmfestspiele von Venedig

Der Zauber des Lido bleibt


Der neue Ozon: Anna (Paula Beer) erzählt Adrien (Pierre Niney) von Frantz. © X-Verleih

Der neue Ozon: Anna (Paula Beer) erzählt Adrien (Pierre Niney) von Frantz. © X-Verleih

Am Ende schienen aber die Entscheidungen des Jurypräsidenten und Oscargewinners Sam Mendes nur teilweise der Qualität der 20 Wettbewerbsfilme gerecht zu werden. So gewann Natalie Portman keinen Coppa Volpi als beste Hauptdarstellerin, wie es die Presse im Vorfeld erwartete. Emma Stone bekam ihn stattdessen für ihre Rolle in „La La Land„.
Der Silberne Löwe für die beste Regie ging ex-aequo an zwei Filmemacher. Amat Ecalantes „The Untamed“ teilte ihn sich mit Andrei Konschalowski für dessen ergreifendes Holocaust-Werk „Paradise„. Nicht nur der Fakt, dass ein Film, der einen orgasmierenden Tintenfisch zum Star hat, sich den gleichen Preis zu teilen hatte mit einem Film, der die Schoah abbildet, war für einige verwirrend, auch dass viele Filmemacher leer ausgingen, deren Talent in diesem Jahr übersehen wurde und deren Werke eindeutig vielversprechender und herausstechender waren als Escalantes Wettbewerbsbeitrag, ergab für viele keinen Sinn.
Glücklicherweise gewannen aber Tom Ford den absolut verdienten Großen Preis der Jury für „Nocturnal Animals“ und Oscar Martinez, Protagonist des Films „El Cuidadano Ilustre„, den Coppa Volpi als bester Darsteller. Entscheidungen, die vom Publikum, der Presse und den Kritikern mit Beifall begrüßt wurden.

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Am Ende jedoch, hinterließ die Entscheidung für den Gewinner des Goldenen Löwen einige ratlos zurück. Lav Diaz – der Anfang des Jahres bei der Berlinale schon einen Silbernen Bären gewann – bekam in Venedig für seinen fast vier Stunden dauernden Film „A Woman Who Left“ den Goldenen Löwen. Es war nicht die Länge des Films, die diese Entscheidung infrage stellte, denn sein neues Werk zählt wohl im Vergleich zu seinem Oevre zu den eher kürzeren Produktionen, vergleicht man ihn mit beispielsweise seinem neunstündigen Film „Death in the Land of Encantos„. Obwohl sein neuer Film durch seine atemberaubenden cineastischen Bilder betört, blieb er nicht so nachhaltig haften wie „Frantz„, „Arrival“ oder „Jackie„, die ebenfalls Anwärter auf den Goldenen Löwen hätten sein können.

Aber abgesehen vom Dissens mit der Entscheidung der Jury, hat Venedig einmal mehr bewiesen, dass das Festival absolut fähig ist, eine große Bandbreite von Filmen einzuladen, von denen einige noch lange Zeit in Erinnerung bleiben werden. Das Festival wächst weiter und eröffnete mit dem Sala Giardini in diesem Jahr sogar einen weiteren Kinosaal für die Festivalbesucher. Dieser wurde vor allem genutzt, um Kim Ki-duks „Geumul“ und James Francos „In Dubious Battle“ wie auch den sehnsüchtig erwarteten „The Secret Life of Pets“ in 3D zu zeigen. Wenn Venedig Schritt halten will mit jüngeren aufstrebenden Filmfestivals ist wohl das der Weg, um vorwärts zu kommen.
Festivaldirektor Alverto Barbera hat 2016 einen sehr guten Job gemacht. Die Qualität der Filme lag über dem Niveau der Vorjahre. Seine Pflicht ist es, sicherzustellen, das Venedigs Aura so hell scheint, wie sie es vor über 70 Jahren schon tat.

Leonardo Goi
(übersetzt SuT)

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