Interview mit Geschäftsführer Andreas Stein und Programmdirektor Bernd Buder zum FilmFestival Cottbus 2017

Interview: "Osteuropäischem Kino eine Plattform bieten"


Im sonnige Cottbus plaudern die Festivalmacher Bernd Buder (links) und Andreas Stein über die 27. Ausgabe des FilmFestival Cottbus. Foto: FilmFestival Cottbus

Im sonnige Cottbus plaudern die Festivalmacher Bernd Buder (links) und Andreas Stein über die 27. Ausgabe des FilmFestival Cottbus. Foto: FilmFestival Cottbus

Vor Beginn des 27. FilmFestival Cottbus, das von 7. bis 12. November 2017 stattfindet, geben Geschäftsführer Andreas Stein und Programmdirektor Bernd Buder einen Ausblick auf das Festival-Programm, erklären, warum der osteuropäische Film Probleme hat, in die deutschen Kinos zu finden und woran das liegt…

Herr Buder, Herr Stein, das 27. FilmFestival Cottbus steht vor der Tür. Gegen welche Klischees müssen Sie mit dem Festival, aber auch durch Ihre Programmgestaltung, immer wieder ankämpfen?
Bernd Buder (BB):
Osteuropa wird oft auf Krisen-Klischees verkürzt: Korruption, Rechtspopulismus, Krieg. Oft kommen noch Alkohol und Depression dazu. Wir zeigen mit unserem Programm, dass Osteuropa ausgesprochen vielfältig ist, zeigen Lebenslust und damit verbundene persönliche Problembewältigungsstrategien, von denen wir viel lernen können. Mit unserem Programm gucken wir hinter die Schlagzeilen, zeigen das Leben der Menschen in „unserer“ Region, ihre Geschichte, ihren Alltag. Damit wird Osteuropa greifbar, man entwickelt Empathie, Verständnis – und wird weggeholt von den Vorurteilen, die mit den genannten Klischees einhergehen. Mit unserem Programm geben wir Osteuropa viele Gesichter und seine Seele zurück.
Andreas Stein (AS): In der Anfangszeit des Festivals galten die Macher als Spinner. Wer wollte unmittelbar nach dem Mauerfall schon in Richtung Osten blicken. Zumal sich die von Bernd Buder angesprochenen negativen Klischees in den Köpfen festgesetzt hatten. Inzwischen hat sich das gewandelt. Zwar gibt es nach wie vor die klassischen Klischees über Osteuropa und doch hat das östliche Europa deutlich an Akzeptanz gewonnen, gilt als sexy, manchmal exotisch, aufstrebend und als Region, die sich auf der Überholspur befindet. Die Programmauswahl von Bernd Buder und seinem Team spiegelt beide Seiten dieser Medaille wider – zeigt wie Osteuropäer mit den eigenen Klischees spielen genauso wie deren Coolness. Beleuchtet deren Probleme, die ebenso unsere sein könnten wie deren Lebensfreude und Fröhlichkeit. Der Humor ist sicher etwas anders als der deutsche Humor. Obwohl, haben wir überhaupt Humor? Ach ja, das war nur ein Klischee über uns Deutsche…

Im Zentrum des Festivals steht der Wettbewerb Spielfilm. Welches der zwölf Werke sollte niemand verpassen?
BB:
Da das alles preisverdächtige Filme sind, möchte ich ungerne einige davon hervorheben. Der Zuschauer wählt aus unterschiedlichsten Filmen: Vom slowakisch-tschechisch-ungarischen Roadmovie OUT mit seinem lakonischen Humor über den polnischen „I’m a Killer„, hinter dessen Krimi-Fassade aus den 1960er-Jahren sich eine unglaublich präzise Gesellschaftsstudie offenbart, bis zum „Granatapfelgarten„, einer kleinen, sensiblen Vater-Sohn-Geschichte aus Aserbaidschan.
AS: Ich müsste jetzt wohl die anderen neun Spielfilme aufzählen. Da wäre zum einen der neue Spielfilm von George Ovashvili, „Vor dem Frühling„. Welche Kraft die Bilder des georgischen Regisseurs verströmen, hat er bereits mit „Die Maisinsel“ bewiesen. Sein neues Werk knüpft nahtlos daran an. Völlig anders kommt der schwarzhumorige Mafiakrimi „Die Linie“ von Peter Bebjak daher. Wenn man nicht wüsste, dass es sich um eine slowakisch-ukrainische Koproduktion handelt, hätten man den Film durchaus auch auf dem Balkan verorten können. Apropos Balkan: Jan Cvitkovic ist mit seinem Neuling „Die Familie“ im Rennen. Nach seinem schwarzhumorigen „Von Grab zu Grab“ und dem schrägen „Siska Deluxe„, der 2015 den Publikumspreis gewann, darf man gespannt sein, wie er sich diesmal in der Gunst der Juroren und des Publikums schlägt.

Die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern Osteuropas sind sehr unterschiedlich, was Filmhistorie, Fördermöglichkeiten, aber auch politische Führung angeht. Welche Länder entwickeln sich positiv und um welche sollte man sich sorgen?
BB:
Sorge und Hoffnung liegen in Osteuropa, und nicht nur da, nah beieinander. Das in allen Facetten reichhaltige polnische Kino beweist, dass es dort eine starke Zivilgesellschaft gibt – von der Filmkunst bis zum Blockbuster, allein in den „Nationalen Hits“ finden sich in diesem Jahr vier ganz unterschiedliche polnische Filme. Auf der anderen Seite zeigen Nachrichten wie die am Ende recht fadenscheinige Entlassung der Leiterin des Polnischen Filminstituts, das nahezu alle polnischen Filme finanziert, dass die Politik hier verstärkt Einfluss auf das Kino nehmen möchte.
In Rumänien und Serbien dagegen entwickelt sich weiterhin eine ausgesprochen kreative Filmszene, in kleineren Ländern wie Kosovo und Montenegro gibt es rührige Filmzentren, die ihre Filmemacher mit Erfolg in internationale Koproduktionen bringen, ähnlich im Baltikum, wo die jeweiligen nationalen Filmzentren unglaublich effektiv daran arbeiten, talentierte junge und gestandene Filmschaffende zu fördern.
Es gibt aber auch Entwicklungen wie das Verleih- und Sendeverbot für russische Filme in der Ukraine, die darauf abzielen, die kulturellen Bindungen an den Nachbarn zu kappen, oder direkten autoritären Druck auf Filmkünstler, wie der Hausarrest gegen Kyrill Srebrenikow und die jahrelange Haftstrafe gegen Oleg Sentsov in Russland zeigen. In diesen Fällen trifft es Regisseure, die den Dialog und die Kooperation mit dem gesamten Europa suchen – diese Tendenzen, multinationale Dialoge zu verhindern, sollen zu Abschottung führen und öffnen Tür und Tor für einseitige, ressentimentgeladene und oft nationalistische Sichtweisen.

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