Interview mit Geschäftsführer Andreas Stein und Programmdirektor Bernd Buder zum FilmFestival Cottbus 2017

Interview: "Osteuropäischem Kino eine Plattform bieten"



Osteuropäisches Kino findet trotz zahlreicher internationaler Auszeichnungen nur selten den Weg in die regulären Kinos. Was müsste sich ändern?
BB:
Vor einigen Jahren hat ein deutscher Verleih mal einen Spielfilm von einem polnischen Regisseur herausgebracht, der in Lissabon spielte. Auf dem Plakat sah man ein mediterranes Ambiente, der Name des Regisseurs fehlte – er war offenbar zu osteuropäisch. Die Düster-Klischees von Osteuropa verhindern eine Neugier gegenüber Osteuropa, die nötig wäre, damit Verleiher und Kinos das Risiko auf sich nehmen, Filme aus der Region zu zeigen. Immerhin liegen Filme aus dem östlichen Mittel- und Osteuropa auf Festivals oft in der Jury-Gunst vorne, wie etwa Ildikó Enyedis Berlinale-Gewinner „Körper und Seele„, der es ins deutsche Kino geschafft hat.

Weiterlesen: Hier unsere Kritik „Träume im Schlachthof zu „Körper und Seele„…

AS: Es handelt sich bedauerlicherweise um kein klassisch deutsches Phänomen, wobei man sagen muss, dass der Erfolg von Filmen abseits der Hollywood-Blockbuster in anderen Ländern größer ausfällt als hierzulande. Kino ist und bleibt ein Unterhaltungsmedium. Ein Blick auf die deutschen Kinocharts des Jahres 2016 veranschaulicht, was wir als Unterhaltung verstehen. Unter den Top-10 rangiert mit „Willkommen bei den Hartmanns“ gerademal ein Film, der nicht aus den amerikanischen Traumfabriken stammt und dabei handelt es sich zudem um den einzigen Film, der sich – wenngleich mit etwas Klamauk – mit einem ernsten Thema beschäftigt. Ich möchte nicht behaupten, dass „Star Wars„, „Zoomania“ oder „Sing“ keine Tiefe hätten. Aber ein Vergleich zu leise erzählten Konflikten, alltäglichen Dramen und kleinen, wenn auch bildgewaltigen Momenten des Glücks, wie es das anspruchsvolle Kino nicht nur in Osteuropa erzählt, ist eher unangemessen. Von den Produktions- und Marketingetats der Blockbuster ganz zu schweigen. Es müsste sich also sehr viel ändern, um das sogenannte Autorenkino, in dessen Schublade der osteuropäische Film gern pauschal verschwindet, aus seiner kleinen verstaubten Nische herauszuholen. Wir versuchen osteuropäischem Kino eine Plattform zu bieten. Unsere Besucher nehmen das dankbar und neugierig an und die Anzahl der Filme, die in den deutschen Verleih kommen, steigt zwar langsam, aber stetig.

Wieso legt das FFC seinen Fokus ausgerechnet auf Vietnam?
BB:
Der Fokus liegt nicht auf Vietnam, sondern auf Geschichte und Gegenwart der vietnamesischen Migration in Deutschland, Polen und Tschechien. Diese Diaspora wird kaum wahrgenommen. Die oft sehr pointierten Filme zeigen, wie es sich zwischen zwei Heimaten lebt, mit welchen Hoffnungen und Ängsten Vietnamesen und deren Nachkommen in Mitteleuropa umgehen. Mit diesen Geschichten zwischen Kalten und heißem Krieg, geteiltem Land und Wiedervereinigung, Vertragsarbeiterabkommen und Abschiebung, Rassismuserfahrungen und Emanzipation und Überleben von traditionellen Familienstrukturen ist unser Fokus „Việt Nam ở châu Âu | Vietnam in Europa“ mittendrin in den aktuellen Gesellschaftsdiskursen.

Was darf das Publikum vom Special Belarus erwarten?
BB:
In Belarus hat sich in den letzten Jahren eine unabhängige Filmszene entwickelt, die die bisher recht monolithische Definition von ’nationaler Identität‘ um subkulturelle, homosexuelle, umweltbewusste und jugendliche Narrative erweitert. Das stimmt hoffnungsvoll. Viele der Filme haben übrigens einen schön schwarzen Humor, der zwischen den Zeilen sagt, was man nicht allzu plakativ sagen möchte – in künstlerischer Hinsicht ist das sehr kreativ.

Sie gehen freundschaftlich miteinander um. Sind Konflikte zwischen Programmleitung und Geschäftsführung nicht vorprogrammiert?
BB:
Festivalarbeit ist phasenweise unglaublich intensiv, da ist man auf Kooperation angewiesen. Es tut gut, wenn man im miteinander – das gilt ja für das gesamte Team – in der Lage ist, sich in der alltäglichen Arbeit die Bälle zuwerfen zu können. Anders wäre die Arbeit kaum zu erledigen: im Vorfeld der Veranstaltung sind 14- bis 16-Stunden-Tage fast normal, und um alles zu erledigen, könnten es gerne doppelt so viele Stunden pro Tag sein. Oft übersteigen die inhaltlichen Wünsche das Mögliche des Budgets, da kommen wir ins Diskutieren. Ich empfinde das aber als befruchtend, zumal wir eher lösungs- als problemorientiert handeln.
AS: Da kann ich Bernd Buder nur beipflichten. In erster Linie sollte, nein muss Arbeit auch Spaß machen. Trotz langer Arbeitstage und Stress. Sonst müsste man sich schnell hinterfragen. Das geht nur, wenn man ehrlich und freundschaftlich miteinander umgeht. Ob man sich in der Sache nun einig ist oder darüber streitet. Bei uns ist das im gesamten Team der Fall. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Ein nettes Wort hier, ein Witz dort und das gemeinsame an einem Strang ziehen macht dieses Festival erfolgreich. Unsere Aufgaben sind nicht so unterschiedlich, wie es auf den ersten Blick scheint: Wir erdenken und erarbeiten gemeinsam Konzepte zum Inhalt und in diesem Zusammenhang auch zur Finanzierung des Festivals und wir suchen gemeinsam nach Lösungen, wenn mal nicht alles flutscht. Zwischendurch schaut der eine Filme und der andere auf seine Zahlen. Es darf sich also jeder wieder damit beschäftigen, was ihm am meisten Spaß macht.
BB: An sehr vielen Stellen. Das geht bei der Absprache zum Jahresprogramm los, über gemeinsame Gespräche mit potentiellen Förderern und Partnern und der Repräsentation des FFC nach außen bis hin zu Detailfragen wie die Suche nach geeigneten Räumen für Workshops.

DD

Das 27. Film Festival Cottbus findet von Dienstag, 7.11. bis Sonntag, 12. November 2017 in Cottbus statt.

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