Interview mit Regisseurin Mia Spengler zu ihrem Film „Back for Good“

Spengler: Über welche Werte diskutieren wir hier eigentlich


Kim Riedl glänzt in der Hauptrolle in "Back for Good" von Mia Spengler © Zum Goldenen Lamm

Kim Riedl glänzt in der Hauptrolle in „Back for Good“ von Mia Spengler.
© Zum Goldenen Lamm

Haben Sie sich während der Recherche auch mit (ehemaligen) Castingshow-Kandidat*innen getroffen?
MS:
Das war für mich der spannendste Teil der ganzen Vorbereitung und der Recherche, weil die so komplett anders waren, als ich erwartet hatte. Wir trafen zum Beispiel eine Dame, die Mia Julia heißt. Sie ist Sängerin und macht Nacktshows auf dem Ballermann. Sie war eine ganz wichtige Inspiration für die Rolle der Angie, weil sie so unglaublich witzig und selbstbewusst war. Man hatte bei ihr überhaupt nicht dieses mitleidige Gefühl – „Gott, du armes Mädchen! Du verkaufst dich selbst und hast es so nötig!“ – sondern sie hat das total selbstbewusst gemacht. Sie hat eine exhibitionistische Ader und damit super viel Kohle verdient – wahrscheinlich viel mehr Geld als ich jemals in meinem Leben verdienen werde. Ich konnte sie total gut verstehen. Sie hat das so authentisch und cool rübergebracht. Als ich sie getroffen habe, hat es bei mir „Klick“ gemacht. Ich konnte so eine Figur als Heldin erzählen – und es ist super wichtig, genau das zu tun.

Inwiefern ist Angie eine Heldin?
MS:
Der Film prangert bestimmt nicht an, dass es diese Shows gibt, und verurteilt die Leute nicht, die an diesen Shows teilnehmen. Er verurteilt auch die Leute nicht, die diese Shows gucken, aber was der Film einem mitgeben will, ist, dass man eine Form von Authentizität für sich selbst bewahren kann, dass man irgendwie durchs Leben geführt wird und irgendwo ankommt. Das haben wir versucht, für unsere Hauptfigur Angie zu übernehmen. Dass sie so selbstbewusst ist, wie es ihr möglich ist, dass sie dazu steht, was sie tut oder es zumindest versucht, und dass man sie deswegen auch liebt, weil sie nicht selbstmitleidig ist.

Bei der Fülle an Castingshows ist es ein interessanter Ansatz, eine Kandidatin zur Filmheldin zu machen.
MS:
Für uns war spannend, dass dieses Casting-Format die Zuschauer dazu einlädt, Leute zu bewerten. Wenn man mitmacht, ist es ein bisschen so, als wenn man seine eigene Würde am Eingang abgeben muss, um überhaupt mitmachen zu dürfen. Und genauso schaut man das auch: wie im Kolosseum. Wir zeigen so eine Figur mal aus einer anderen Perspektive, bringen sie aber auch nach Hause und stellen eine Form von Heilung für sie in Aussicht. Letztendlich ist unsere Haltung als Filmemacher, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich zu transformieren.

Der Filmtitel „Back for Good“ erinnert an den gleichnamigen Song von Take That, der 1995, als die Hauptfigur Angie ein Teenie gewesen sein müsste, in vielen Mädchenzimmern rauf und runter lief.
MS:
Der Song war mal im Drehbuch, aber mir wurde schnell klar, dass wir uns die Lizenzrechte für den Song niemals leisten können. Als Arbeitstitel blieb er im Film, weil er Song an einer sehr wichtigen Stelle in einer frühen Drehbuchfassung war. Wir haben viele Titel ausprobiert und über viele Titeländerungen nachgedacht, aber gemerkt, dass der Titel „Back for Good“ am besten zum Film passt, weil es ja um ein Comeback geht. Angie versucht ein Comeback und erlebt ein ganz anderes Comeback als das, nach dem sie eigentlich gestrebt hat.

Drei Frauenfiguren stehen im Zentrum des Films. Weder Angies noch Kikis Vater spielen eine Rolle. War es Ihnen wichtig, drei starke und unabhängige Frauen zu erzählen?
MS:
Wir erzählen zwar die Väter nicht im On mit, aber die Abwesenheit der Väter zeichnet diese Frauen sehr. Ich glaube, das spürt man auch. Ich finde, dass in dem Fall die Abwesenheit mehr über die Männer erzählt als die Anwesenheit. Das war der Ansatz. Man merkt allen drei Frauen an, dass ihnen die Männer fehlen oder die Verlässlichkeit, die diese Männer potenziell mitbringen könnten. Den Frauen fehlt eine Form von Stabilität, die durch die Abwesenheit einer funktionierenden Familienstruktur kommt. Es muss natürlich nicht immer ein Mann sein.

War es leicht, Juliane Köhler für die Rolle der Monika zu gewinnen?
MS:
Ich war wahnsinnig aufgeregt, das war mein erster Langfilm. Ich hätte nie gedacht, dass sie auch nur einwilligt, mich auf einen Kaffee zu treffen. Ich bin nach München gefahren und sie hat mich gefragt: „Bist du extra deswegen aus Hamburg gekommen?“ Und ich habe gesagt: „Nein, ich war eh in der Stadt.“ War ich natürlich nicht. Ich saß mit ihr im Café und hatte eine so tolle Begegnung mit ihr. Ich habe mir für den Film geschworen, dass ich niemanden besetze, den ich nicht in Konstellation gecastet habe. Weil das so wichtig ist für den Film, dass alle Schauspieler wirklich gut zusammenpassen und sich auch gegenseitig in ihrer Arbeit befruchten. Ich habe die ganze Zeit überlegt: „Oh Gott, wie sage ich ihr das jetzt? Das ist so eine erfolgreiche Frau. Die hat es so gar nicht nötig, in mein Casting zu kommen!“ Ich habe ihr erstmal erzählt, wie ich zur Geschichte kam, was ich mir vorstelle, was meine Vision ist. Am Ende des Gesprächs fragte sie: „Wann machen wir das Casting? Ich finde, wir sollten das unbedingt mal im Casting ausprobieren.“ Ich war so erleichtert. Ab dem Moment war klar, dass das eine ganz tolle Zusammenarbeit wird, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Sie wurde letztendlich zu einer der wichtigsten Wegbereiterinnen für dieses Projekt, die den Film bis heute unterstützt. Ich habe wirklich sehr großes Glück gehabt, dass ich sie getroffen und gefunden habe für diesen Film.

Die Fragen stellte Stefanie Borowsky für Berliner Filmfestivals.

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