6. Woche der Kritik in Berlin

WdK 2020: Möglichkeiten des filmischen Erzählens


Um die 350 Filme laufen dieses Jahr im Rahmen der Berlinale. Vieles wird einfach nur auf der Must-See-Liste abgehakt und weiter geht’s zum nächsten Punkt auf dieser Liste. Wenn sich das Mainstreampublikum ein Mal im Jahr unter Cineasten mischt, verkommen Arthousefilme zu exotischen Ausstellungsstücken im Kuriositätenkabinett. Eine Hand voll Filmkritiker hat sich zusammengetan um dem etwas entgegenzusetzen.

Die Woche der Kritik (19. bis 27. Februar 2020) geht in die sechste Runde. Seit 2015 hat auch Berlin nach Cannes, Venedig und Locarno ein Festival neben dem Festival, das ausschließlich von Filmkritikern kuratiert wird und unabhängig vom sowie parallel zum Hauptfestival stattfindet. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Wie sehen wir Filme? Welche Filme wünschen wir uns? Was macht Kino zum Kino?
Initiator ist der Verband der deutschen Filmkritik. Die künstlerische Leitung übernimmt Frédéric Jaeger. Insgesamt werden 14 Filme gezeigt, je zwei an einem Abend. Die Filme eines Abends haben Gemeinsamkeiten oder konträre Ansätze in der Thematik oder im filmischen Stil, was die Grundlage für die jeweils anschließende Diskussion bietet. Diese geraten gerne etwas verkopft und trocken. Doch sie zwingen einen auch dazu sich intensiv mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen, es zu hinterfragen, nach Parallelen in der eigenen Erlebniswelt und der gesellschaftspolitischen Relevanz zu suchen.

Weiterlesen: Frédéric Jaeger, der künstlerische Leiter der WdK, im Interview über das ambitionierte Programm der Woche der Kritik…

Die Auswahl der Filme zeigt ein breites Spektrum des internationalen Kinos. Sowohl Nollywood (Kino aus Nigeria), die zweitgrößte Filmindustrie weltweit, als auch der stets relevante südkoreanische Filmmarkt sind vertreten. Jeder einzelne Beitrag bietet eine eigene Facette, eine eigene Farbe, eine aufregende Idee. Zusammen ergibt das ein buntes, vielschichtiges Bild der Möglichkeiten des filmischen Erzählens.
In den Diskussionsrunden im Anschluss werden, angeregt durch die präsentierten Filme, auch allgemeinere kinorelevante Themen besprochen. So stellt die „Woche der Kritik“ schon allein durch ihre Existenz und explizit noch einmal mit Hilfe des Diskollektivs (21.Februar), die Frage, wie man ein Festival kuratiert ohne Konventionen oder Erwartungen zu erfüllen.
Auch Dominik Graf sieht darin den großen Vorteil eines solchen Festivals:
„Einzig und allein der cinephile Blick aufs Kino ist noch wirklich interessant, überraschend. Nur das Kino-Denken und das Kino-Sehen aus seiner Geschichte und aus der Kenntnis seiner Möglichkeiten heraus bestätigt und befördert ein vitales Filmemachen, das klug, experimentell, freudvoll, lebensnah ist.“
An anderen Abenden wird etwa über Slow Cinema oder die Kunst und Variationen des Dokumentarfilms diskutiert.

Doch zunächst beginnt die Woche der Kritik traditionell mit einer Konferenz. Hierfür fand sich so viel Diskussionswürdiges, dass die Konferenz vor lauter Themen kein Überthema hat, sondern in einzelne, für sich stehende Themenblöcke unterteilt ist. Zu Beginn geht es um den Einfluss rechtskonservativer und rechtsextremer Parteipolitik auf die Kinowelt, danach findet ein Podiumsgespräch mit Girish Shambu über sein Manifest „For a New Cinephilia“ statt. Der zweite Teil des Abends ist in zweimal drei parallel laufende Veranstaltungen gegliedert. Hier werden Zensur in der Türkei, Filmbildung, off cinema, unakademisches Erzählen, eine Live Chat Performance und Cyberpunk zum Thema; also von allem etwas.

Die Woche der Kritik ist ein Festival für Cineasten. Wer sich intensiv mit Film und filmrelevanten Fragen auseinander setzen möchte ist hier genau richtig.

Janine Seiler

Die sechste Ausgabe der Woche der Kritik findet vom 20. bis zum 27. Februar 2020 im Hackesche Höfe Kino statt, die Konferenz ist am 19. Februar im Theaterdiscounter (Klosterstraße 44, 10179 Berlin).

Hier unsere Empfehlungen aus dem Programm…

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