Jüdisches Filmfestival Berlin & Brandenburg 2020 findet vom 6.-13. September statt


„Chichinette“ © 2020 missingFILMs

26. Jüdisches Filmfestival Berlin & Brandenburg: Dieses Jahr mit einer Hybrid-Ausgabe

Da durch die Corona/Covid19-Pandemie ein gewohntes Festival nur im Kino nicht möglich ist, gibt es im 26. Festivaljahr eine sogenannte Hybrid-Ausgabe des Jüdischen Filmfestival Berlin/Brandenburg. Einige ausgewählte Beiträge werden in Kinos gezeigt, allerdings mit stark verringerter Platzzahl, die meisten Filme laufen aber in diesem Jahr als Online-Streamings im Internet. Auch die gewohnten Gespräche mit Regisseuren und Fachleuten finden größtenteils nur digital statt. Als Festivalpatin fungiert diesmal Katharina Thalbach.

Das einzige deutsche Filmfestival dieser Art findet in diesem Jahr unter dem Motto „Jews with many Views“ statt, das die Vielfältigkeit jüdischer Kultur und jüdischen Lebens zeigt. Dabei gibt es genauso viele Werke über die Vergangenheit wie über den heutigen Zustand der (jüdischen) Welt sowie Filme, die Antisemitismus und Ungerechtigkeiten aufzeigen. Ziel ist es, mit Filmen positive soziale Veränderungen zu unterstützen und zum Denken anzuregen. Wie in den letzten Jahren ist ein Schwerpunkt auch in diesem Jahr die vielfältige israelische Filmproduktion. Die große Stärke des Festivals ist seit jeher die Bandbreite. Die gute Mischung aus Spielfilmen, Dokumentarfilmen und Serienfolgen, egal ob kurz oder lang, aus welchem Genre auch immer, trug von Anfang an zum großen Erfolg des Festivals bei.

Auch vor sperrigen Filmen, und Filmen, die die politische Realität in Israel widerspiegeln und eine faire Behandlung der palästinensischen Bevölkerung fordern, wurde nie zurückgeschreckt. So gibt es in diesem Jahr zum Beispiel den Film „Mayor“ (11.9. 19 Uhr, City Kino Wedding), der den Bürgermeister von Ramallah portraitiert und dessen Probleme in der Stadt offenlegt. Und dadurch die Sichtweise auf diesen Ort stark erweitert und verändert.

Als Eröffnungsfilm wird der israelische Oscar-Kandidat von 2020, „Incitement“ (6.9. 18 Uhr, City Kino Wedding sowie 9.9., 19 Uhr, fsk Kino), gezeigt, der die Geschichte des Attentäters nachzeichnet, der Yitzhak Rabin ermordete – vom Beginn seiner Radikalisierung bis zum eigentlichen Attentat. Spielstätten sind die Kinos Brotfabrik, Delphi Filmpalast, fsk Kino, Hackesche Höfe Kino, KLICK Kino sowie das Filmmuseum Potsdam und das Thalia Babelsberg in Brandenburg. Der Schlussfilm „Persischstunden“ (13.9. 11 Uhr, Cinema Paris), der bereits bei der Berlinale lief, läuft im Cinema Paris. Der deutsche Film „Kiss Me Kosher!“ (7.9. 20 Uhr, Delphi) der israelischen Regisseurin Shirel Peleg läuft als Weltpremiere in Anwesenheit von Frau Peleg und einiger Schauspieler im Delphi.

Weiterlesen: Hier gehts zu unserer Langkritik von „Kiss Me Kosher!„.

Es gibt auch in diesem Jahr einige gute Filme über den Holocaust und dessen Folgen zu sehen. Da ist „Winterreise“ (8.9. 19:30 Uhr Hackesche Höfe), der letzte Film mit Bruno Ganz, der in Form eines Dokudramas die von seiner Figur nie zuvor erzählte Geschichte vom Leben und Hoffen im jüdischen Kulturbund, der von Goebbels gegründet wurde, erzählt. Ungarns Oscarvorschlag von 2019, „Those Who Remained“ (9.9. 19:30 Uhr Hackesche Höfe, 10.9. 19:30 Uhr Brotfabrik), schildert das Zusammentreffen eines 42-jährigen Gynäkologen und der 16-jährigen Klara, die beide im Konzentrationslager waren und sich trotz des Altersunterschieds gegenseitig Halt geben. In „Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde“ (9.9., 20:15 Uhr, Thalia sowie 12.9., 18 Uhr, Klick Kino) erzählt die inzwischen 100-jährige Marthe Cohn ihr Leben im Zweiten Weltkrieg, wo sie Spionage in Frankreich betrieb und spricht über die Vorträge, die sie als Zeitzeugin hält.

Das Programm der Dokumentarfilme, die allesamt online zu sehen sind, umfasst Filme über Scheidung nach rabbinischem Gesetz („Divorce Denied„), Leihmutterdasein („Holding it in„), über das Leibgericht des Nahen Ostens („Hummus! – The Movie„), Geschlechtsumwandlung in der ultra-orthodoxen Gemeinde („I was not born a mistake„), das Leben der jüdisch-ägyptischen Autorin Jacqueline Kahanoff („Levantine„), eine Ballettschule unter dem Fußballstadion in Jerusalem („Underground Ballett„) sowie „Regina Jonas – Die erste Rabbinerin der Welt„.

Bei den Serien sticht „Dayan: The First Family“, eine vierteilige Serie über Moshe Dayan und seine Familie („die israelischen Kennedys“), heraus. Ergänzt wird das Programm durch zwei Retrofilme: „Der Garten der Finzi Contini“ (zum 50. Geburtstag des Films; online zu sehen) und „Der Gehetzte“ (anlässlich des diesjährigen Todes von Hollywoodstar Kirk Douglas, der jüdisch-russische Wurzeln hatte; ebenfalls online).

Harald Ringel

26. Jüdischen Filmfestival Berlin/Brandenburg findet vom 6. bis 13. September 2020 statt; die Filme in den Kinos laufen mit englischen Untertiteln, die Online-Streamings meist mit englischen und deutschen Untertiteln. Online-Filme kosten zwischen 4 und 6 Euro und sind zu buchen auf www.jfbb.de.

Aus dem Programm empfehlen wir folgende Filme im Besonderen:

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