BFF on the road: Einblick in das Programm vom 32. Filmfest Dresden


Lust und Trauma in SUC DE SINDRIA © Irene Moray

– An den Narben herumnagen –

Kriegerische und umweltzerstörerische Katastrophen sind Garanten für starke Bilder – aber wie es ist mit den Traumata, Wunden und Schocks, die nach den alles verändernden Ereignissen bleiben? Wie bildet man etwas ab, was sich eben oft dadurch auszeichnet, das es eben nicht an die Oberfläche tritt? Das sorgfältig kuratierte Programm „Nachbilder – Spuren des Traumas“ versammelt persönliche Nachbeben und kollektive Alpträume. Besonders beeindruckend ist dabei das surreale Kammerspiel THE RECURRING DREAM von Barbara Bohr, der das Wechselspiel von Erinnerung und Verdrängung bei der Bewältigung von Traumata verhandelt (siehe Tipp), aber auch der diesjährige Oscarkandidat DAUGHTER von Daria Kashcheeva, ein liebevoller und wunderschön animierter Film über den Abschied von einem geliebten Menschen. Das Trauma aus dem extra kuratierten Programmfokus ist auch in etliche Animationsfilme aus dem Internationalen Wettbewerb geschwappt. Es findet sich im französisch-argentinischen PULSIÓN von Pedro Casavecchia, der das Heranwachsen eines Serienmörders im dysfunktionalen Familiensetting in klaustrophobischen theatral wirkenden Schnappschüssen inszeniert, in METARMORPHOSIS von Carla Pereira und Juan Fran Jacinto, in dem ein Ausbruch aus der erdrückenden Beziehung zur alleinerziehenden Mutter gerade noch möglich ist, und in den paranoiden Fratzen von HAVE A NICE DOG! von Jalal Maghout, der den Einfluss des Kriegs in Syrien auf die Psyche zum Thema hat – alle drei wirken sehr kalkuliert und mit Stereotypen durchsetzt, wenn auch toll umgesetzt.

ESCAPAR, THE RECURRING DREAM

Darum geht es:
Immer wieder hat die Frau den gleichen Traum, in dem ihr ihre Mutter, ein Freund und ein Fremder begegnen. Die Frau tritt mit ihnen in den Dialog über die Zeit, in der sie vor 25 Jahren für 18 Monate unschuldig in Lima im Gefängnis saß, bis ihre Mutter die Freilassung erwirken konnte – durch beständiges Tortenbacken. Der Freund beteuert, sie nicht verraten zu haben. Die Mutter möchte am liebsten nie wieder über die Zeit im Gefängnis sprechen. Der Fremde überlegt, ob es nicht möglich ist, Opfer zu sein und doch keines zu werden.

Was du zum Film wissen musst:
Die Versöhnung mit der Vergangenheit und ihren unbeantworteten Fragen stehen im Zentrum des poetischen, behutsamen Films. Die drei Begegnungen finden im ehemaligen Verhörzimmer statt, durch die Glaswand sieht sie Mutter als krisselige Videoaufnahme Torten backen, manchmal wird ein Stück am Tisch des ehemals gegen sie ermittelnden Polizisten verzehrt. Leben, essen, genießen – auch das gehört zum Trauma-Überwinden dazu. Der Film erhielt 2018 eine Goldene Taube in der Kategorie Next Masters bei der Dok Leipzig. (MK)

Der Film läuft im Programm „Nachbilder – Spuren des Traumas“ 2

SUC DE SÍNDRIA (WATERMELON JUICE)

Darum geht es:
Bárbara und Pol sind frisch verliebt und verbringen den Urlaub mit Freunden am See. Sie genießen die Nähe zueinander, sind aber auch verunsichert – denn Bárbara wurde vergewaltigt und tut sich schwer, Intimität zu genießen.

Was du zum Film wissen musst:
SUC DE SÍNDRIA von Irene Moray ist ganz nah bei seinen Protagonist*innen. Durch die einerseits sehr unmittelbar und andererseits diskret eingesetzte Kamera ist man sofort involviert und empathisch – teilt Bárbaras Ängste und Pols Sorge, etwas falsch zu machen und trotzdem Begehren zu zeigen. So schön und unaufgeregt sieht man Nacktheit und Lust ganz selten. (MK)

Der Film läuft im Programm „Nachbilder – Spuren des Traumas“ 3.

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