BFF on the road: Einblick in das Programm vom 32. Filmfest Dresden


– Dein, welcher Körper –

Der Körper, der für die Reproduktion verstümmelt werden muss: SAN © Jin Woo

In beiden Wettbewerben (sowie im Fokus Trauma) fanden sich aus dem Bereich der Animation ungewöhnliche Annäherungen an den Körper und das physische In-der-Welt-Sein. Vor allem Frauenperspektiven wurden hier vielfältig aufgeblättert. Zum Beispiel in Henriette Rietz‘ WOCHENBETT, der die Wochen nach der Geburt als beständiges Wechselbad der Gefühle, zwischen aufopfernder Zuneigung und körperlichem Ekel, auch animationstechnisch als konstante Figurentransformation erzählt, von Charlotte Roches Stimme herrlich schnoddrig unterlegt. Bianca Scali (Studentin am Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg) lässt in MA GEÔLE eine gezeichnetes Kind in die Untiefen des real gefilmten Körpers verloren gehen – eine Auseinandersetzung mit dem eigenen fremden und dann wieder lieb gewonnenen Körper. Unheimlicher noch, fast schon abstoßend sind die Körper in Jin Woos 산 (SAN), der – entgegen der Filmsynopsis – der Muttersein als rituelle Selbstaufopferung erzählt, bei der der eigene Körper zur Mast und Fütterung eingesetzt werden, animalische Schreie inklusive.

Wachsgemalte Intensität: THE PHYSICS OF SORROW © Theodore Ushev

PHYSIQUE DE LA TRISTESSE

Darum geht es:
Um einen empathischen Höllenritt durch das 20. Jahrhundert. Der international renommierte Animationsfilmregisseur Theodore Ushev greift Georgi Gospodinovs Roman „Physik der Schwermut“ auf, indem der Held unter einer besonderen Form der Empathie leidet: Er muss sich in alles und jeden einfühlen. Er ist die Fruchtfliege, er ist sein eigener Großvater als kleiner Junge, der als bulgarischer Flüchtling in Kanada Exilsuchende, er ist Minotaurus. Eine Geschichte vom ewigen Melancholiker und vom kollektiven Trauma der Melancholie, die sich von Generation zu Generation weitervererbt – und von der Suche nach dem Glück.

Was du zum Film wissen musst:
Der Film wurde mittels Wachsmalerei gefertigt. Ushev mischte Wachs und Pigment vor dem Aufbringen auf das Papier. Um den nächsten Frame zu malen, erhitzte er dann das Wachs wieder neu. Man spürt diese Temperatur in den Bildern, die atemlos wirken, und einen den relativ langen Film als sehr kurzweilig empfinden lassen. Fun Fact: Rossif Sutherland, Donald Sutherlands Sohn, ist der Erzähler, der dem zu Grunde liegenden grandiosen Text auch sprachlich eine besondere Qualität verleiht. (MK)

Der Film läuft im Programm 3 im Internationalen Wettbewerb.

RODARQUILAR – VERBRANNTE ERDE MIT EINEM HAUCH VON FLÜSSIGKEIT

Darum geht es:
Ein nackter, erdig bemalter Mensch tastet sich durch eine karge Landschaft. Doch oft begreifen wir nicht, was wir sehen: Ist das Stein oder menschlicher Körper, Schatten oder Licht, der blaue Himmel oder Wasser? Christine Schlegel inszeniert in ihrem Experimentalfilm eine performative Entdeckung von Welt à la Höhlengleichnis, bei der die Zuschauer*innen ständig gefordert sind, ihre Blicke und Perspektiven zu überprüfen.

Was du zum Film wissen musst:
RODARQUILAR (1994) ist Teil der Retrospektive, der sich der Dresdnerin Künstlerin Christine Schlegel widmet. Im Rahmen einer Masterclass spricht Christine Schlegel über ihr Werk, das von der Malerei über die Installation bis zu Videoprojektionen und experimentellen Filmessays reicht. (MK)

Die Masterclass findet am Samstag, den 12.9., um 16:00 Uhr in der Schauburg (Chaplin-Saal) sowie online statt.

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