„Mannheim bietet ein sehr breites Spektrum an Kultur und Drehorten“, York-Fabian Raabe, Regisseur von BORGA


Wie kamen sie zuerst mit dem Konzept der BORGA in Berührung und was hat Sie daran besonders fasziniert?
Mit dem Paradoxon des Borga kam ich bei Dreharbeiten eines meiner Kurzfilme in Berührung. Einer meiner Schauspieler wurde von seiner Familie gebeten, in die Heimat zurückzukehren. Er war froh, dass er meinen Film als Vorwand nutzen konnte, dies nicht zu tun, weil ihm das Geld fehlte, den Erwartungen seiner Familie entsprechend, den reichen Borga in seiner Heimat vorzuspielen. Die Idee zum Projekt selbst kam mir durch meine Redakteurin Stefanie Groß (SWR), die mich im Zuge meines Max Ophüls Preises in 2011 ansprach.

Was ist unter „Black Tax“ genau zu verstehen?
Dieser Ausdruck ist über die Welt verteilt und kann in seiner Bedeutung variieren. Pauschal ausgedrückt, bedeutet er, dass wenn ein Familienmitglied es zu einem deutlich größeren Vermögen gebracht hat, als der Rest der Familie, wird von ihm erwartet, den Rest der Familie zu unterstützen. Dieser solidarische Grundgedanke kann aber dazu führen, dass das wohlhabende Mitglied nicht vermögend genug ist, um die ganze Familie zu unterstützen und dadurch wieder verarmt oder von der Familie verachtet wird. Oftmals liegt der Kern dieses Problems in der Diskrepanz zwischen der Erwartung und der Realität von “Wohlstand”. BORGA versucht dieses Problem von beiden Seiten zu beleuchten.

Wieso war Mannheim als Schauplatz für die Geschichte besonders geeignet?
Grundsätzlich mag ich es, mit „filmisch unverbrauchten“ Drehorten zu arbeiten. Mannheim bietet ein sehr breites Spektrum an Kultur und Drehorten, vom großen Binnenhafen, den riesigen Industrieanlagen, bis zu dem kulturellen Jungbusch, den Quadraten in der Innenstadt und den herrschaftlichen Gebäuden am Wasserturm. Dazu kam, dass wir auch hier sehr freundlich und hilfsbereit behandelt wurden.

Still aus BORGA von York-Fabian Raabe ©TOBIAS VON DEM BORNE

Still aus BORGA von York-Fabian Raabe ©TOBIAS VON DEM BORNE

Sie beschreiben einen Teufelskreis, der offenbar nicht zu durchbrechen ist. Oder wie sehen Sie das?
BORGA spielt unteranderem mit den Themen Globalisierung und Kreisläufe. Die Elektroschrott-Müllhalde Agbogbloshie basiert auf der unkontrollierten Entsorgung von westlichem Elektroschrott. Somit beginnt BORGA auf eine gewisse Weise sowohl in Ghana als auch in Deutschland. Und der Film endet für mich, zwar auf eine ganz andere Weise, auch in Ghana und in Deutschland. Dies ist aber nur die thematische Rahmenhandlung. Im Kern geht es in Borga um einen jungen Mann, der die Anerkennung seiner Herkunftsfamilie insbesondere seines Bruders und Vaters sucht. Und dafür nimmt er sein Schicksal in die eigene Hand, begeht Fehler und lernt. Er betreibt sozusagen Self-Empowerment.

Gibt es Pläne den Film in Ghana zu zeigen? Was glauben Sie, wie wird der Film dort aufgenommen werden?
Auf jeden Fall, sowohl das ghanaische als auch das deutsche Team freuen sich unglaublich auf die Premiere in Ghana. Wenn wir noch einen Sponsor finden, möchten wir gerne eine größere Filmtour durch das Land machen. Unsere ghanaischen Testzuschauer, die Borga gesehen haben, sind schon mal begeistert. Besonders die Erzählung in den Landessprachen (Twi, Fante, Ga und Hausa) und die authentischen Geschichten und Charaktere haben ihnen gefallen. Dazu wurde parallel zum Max Ophüls Preis ein erster Teaser in Ghana veröffentlicht. Die Rückmeldungen u.a. in den sozialen Medien waren überaus positiv. Aber trotzdem bleibt es spannend.

Wie schwierig war es, die eigene europäische Perspektive weitgehend aus der Erzählung herauszunehmen?
Ich versuche in meiner Arbeit, als Regisseur multiperspektivisch zu denken. Dazu gehört auch, dass man seine eigene Bewertung nicht vorschnell fällt, sondern forscht, warum bzw. aus welchen bewussten und unterbewussten Antrieben Menschen handeln. Was ich meinen Geschichten von mir persönlich mitgebe, ist eine grundsätzliche Haltung ans Leben; und diese zeigt sich überraschend kompatibel überall auf der Welt. Die Perspektive wiederum ergibt sich aus meinen Figuren. Und meine Figuren werden durch meine Schauspieler zum Leben erweckt. Ohne die Zusammenarbeit mit ihnen und besonders ohne Eugene, würde es BORGA so nicht geben! Deshalb wurde Eugene auch nicht nur für seine großartige schauspielerische Leistung mit dem “Preis für den gesellschaftlich relevanten Film” ausgezeichnet, sondern auch für seinen großen Einsatz in unserer Zusammenarbeit diese selten gezeigte Perspektive authentisch zu erzählen.

Was ist Ihnen wichtig, dass die Zuschauer vom Film mitnehmen?
Die kürzeste Art und Weise, diese Frage zu beantworten, ist den Film zu schauen.

Die Fragen stellte Teresa Vena für Berliner Filmfestivals.

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