Faszinierend wie eh und je: Die 20. Ausgabe von filmPOLSKA


TRAINS (POCIĄGI) eröffnet filmPOLSKA © déjà-vu film
TRAINS (POCIĄGI) eröffnet filmPOLSKA © déjà-vu film

Aller guten Dinge sind … 20? Wenn man nach filmPOLSKA geht, dann auf jeden Fall. Zum sage und schreibe 20. Mal findet das Festival 2025 statt. Vom 10. bis 17. September zeigt es sowohl in Berlin als auch in Potsdam wieder ein buntes, spannendes Programm, das sich zu entdecken lohnt.

Im Rahmen der Eröffnung wird das Festival in diesem Jahr dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm Dok Leipzig einen Preis für seine Verdienste um die Verbreitung des polnischen Filmschaffens in Deutschland verleihen. Der Wettbewerb wartet mit einer thematischen Vielfalt auf und umfasst auch zwei Dokumentarfilme. Das filmPOLSKA Panorama zeigt in diesem Jahr Filme zum Thema „Scheidewege“, während sich das filmPOLSKA Special den polnisch-skandinavischen Koproduktionen widmet. Die Retrospektive ist dem im Jahr 2013 verstorbenen Musiker Wojciech Kilar gewidmet, der die Filmmusik maßgeblich mitgeprägt hat, sei es bei großen internationalen Produktionen wie BRAM STOKER’S DRACULA oder bei anspruchsvollen polnischen Autorenfilmen.

filmPOLSKA präsentiert sich also auch in diesem Jahr ambitioniert, frisch und offen mit einem hochwertigen Programm, das ein breites Spektrum polnischen Filmschaffens abdeckt. Wer nicht hingeht, verpasst etwas.

Michaela Grouls

Hier sind unsere Tipps aus dem Programm:

GLORIOUS SUMMER

GLORIOUS SUMMER © Rozbrat Films
GLORIOUS SUMMER © Rozbrat Films

Darum geht es:
Drei Frauen (eine etwas jünger, als die beiden anderen) leben in einem alten Schloss auf dem Land und vertreiben sich die Zeit mit zum Teil bizarren Spielchen. Dabei werden sie versorgt und überwacht von einer äußeren Macht, die ihre Wünsche erfüllt und der sie gelegentlich Rede und Antwort stehen. Sie genießen an diesem Ort eine totale Sicherheit, sind aber in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und dürfen das Schloss und die umliegenden Gärten nicht verlassen. Natürlich stellt sich irgendwann Langeweile ein und der Wunsch, zu erfahren, wie sich die Welt außerhalb der Mauern anfühlt. Ausbruchspläne werden geschmiedet, doch dann stellt eine unerwartete Ankunft alles auf den Kopf.

Was du zum Film wissen musst:
Ein wunderschön fotografierter Mix aus Psychodrama und Science Fiction, der so sparsam mit Informationen umgeht, dass er Aufmerksamkeit einfordert, diese aber auch mit sanftem Humor belohnt. Bisweilen fühlt man sich an so unterschiedliche Filme wie Yorgos Lanthimos’ DOGTOOTH (2009) und John Boormans ZARDOZ (1974) erinnert. Die aus Armenien stammende Regisseurin Helena Ganjalyan tritt als eine der Protagonistinnen auf. Ein Film, der weniger auf ein Mainstream-Publikum schielt, beim geneigten Zuschauer aber lange nachklingen dürfte. – TH

Termine bei filmPOLSKA:
Donnerstag, 11.09., 20:30 Uhr, Bundesplatz-Kino, Gast: Helena Ganjalyan & Bartosz Szpak
Freitag, 12.09., 20:00 Uhr, fsk Kino, Gast: Bartosz Szpak
Samstag, 13.09., 19:00 Uhr, Wolf Kino, Gast: Bartosz Szpak

TRAINS

Darum geht es:
Eine Collage aus zum Teil über hundert Jahre alten Aufnahmen von Zügen, die durch unterschiedlichste Landschaften fahren und Passagieren, die von unterschiedlichsten Hoffnungen, Leidenschaften und Tragödien angetrieben werden. Ein dynamisches Porträt Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit all seinen Dramen und Verwerfungen. Immer in Bewegung, wie ein Zug, der auf endlosen Schienen durch die Zeit rast.

Was du zum Film wissen musst:
Der diesjährige Eröffnungsfilm von filmPOLSKA lief schon im vergangenen Jahr mit großem Erfolg beim Internationalen Dokumentarfilm Festival Amsterdam (IDFA) und wurde dort als bester Langfilm und für den besten Filmschnitt ausgezeichnet. Maciej Drygas, seit 2007 Dozent an der Filmuniversität Łódź, hat für seinen Film, der ohne ein gesprochenes Wort auskommt, zahlreiche Filmarchive geplündert und ein faszinierendes Kunstwerk geschaffen, dessen hypnotischer Wirkung man schon nach wenigen Minuten erliegt. – TH

Termine bei filmPOLSKA:
Mittwoch, 10.09., 19:30, City Kino Wedding, Gast: Maciej Drygas & Vita Żelakeviciute
Donnerstag, 11.09., 20:00, Klick Kino, Gast: Maciej Drygas & Vita Żelakeviciute
Freitag, 12.09., 20:00, Sputnik, Gast: Maciej Drygas & Vita Żelakeviciute

THE BOOK OF FLOWERS

Darum geht es:
THE BOOK OF FLOWERS ist ein experimentierfreudiger, kurzer Science-Fiction-Film, der den warmen Retro-Charme des 16-mm-Films mit der technischen AI-Ästhetik verbindet. Entstanden ist ein faszinierender, feministischer Bilderrausch mit einem tollen Voice-Over von Tina Greatrex. Unbedingte Filmempfehlung!

Was du zum Film wissen musst:
Seit 2023 wurde THE BOOK OF FLOWERS als Installation in zahlreichen Ausstellungen gefeatured. Die Künstlerin und Filmemacherin Agnieszka Polska beschränkt sich in ihrer Arbeit nicht nur auf ein Medium. 2017 erhielt sie den Preis der Nationalgalerie, der alle zwei Jahre an in Deutschland lebende junge Künstler*innen vergeben wird. – MG

Termin bei filmPOLSKA:
Sonntag, 14.09., 19:30 Uhr, Wolf Kino, Gast: Alicja Rogalska, Kinga Kiełczyńska, Eternal Engine & Marcelina Wellmer, Moderation: Phoebe Blatton (Teil des 2. Programms „Kunst im Kino: Berlin Made Me Glad Sad Mad“)

ON THIS SHORE, HERE

ON THIS SHORE, HERE © Jasmina Metwaly
ON THIS SHORE, HERE © Jasmina Metwaly

Darum geht es:
ON THIS SHORE, HERE ist eine meditative, fließende Reise. Ein kurzer Kunstfilm, der sich Mythen und Materialität widmet.

Was du zum Film wissen musst:
Die Künstlerin und Filmemacherin Jasmina Metwaly lebt und arbeitet in Berlin und Kairo. Ihr Werk ON THIS SHORE, HERE war 2023 Teil der Ausstellung Forum Expanded der Berlinale. – MG

Termin bei filmPOLSKA:
Sonntag, 14.09., 19:30 Uhr, Wolf Kino, Gast: Alicja Rogalska, Kinga Kiełczyńska, Eternal Engine & Marcelina Wellmer, Moderation: Phoebe Blatton (Teil des 2. Programms „Kunst im Kino: Berlin Made Me Glad Sad Mad“)

BRIEFE AUS DER WILCZA (OT: LISTY Z WILCZEJ)

BRIEFE AUS DER WILCZA © barnsteiner film
BRIEFE AUS DER WILCZA © barnsteiner film

Darum geht es:
Die Ulica wilcza, die Wolfstraße im Zentrum Warschaus, ist die neue Heimat von Arjun Talwar. Nachdem er gemeinsam mit seinem besten Freund einige alte polnische Filme gesehen hat, immigriert der junge Mann aus Delhi in das Land, in dem sich Ost und West treffen. Anhand des Mikrokosmos der Straße, in der er nun lebt, und unterstützt von Filmemacherin Mo, die ebenfalls eine Migrationsgeschichte mitbringt, porträtiert der Filmemacher auf kluge, reflektierte und humorvolle Weise und aus seiner ganz eigenen migrantischen Perspektive anhand seiner Nachbar*innen die polnische Gesellschaft der Gegenwart – in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit.

Was du zum Film wissen musst:
Dokumentarfilmregisseur Arjun Talwar, aufgewachsen in Delhi, studierte zunächst Mathematik und später Kamera an der berühmten Filmhochschule im polnischen Łódź. BRIEFE AUS DER WILCZA feierte seine Weltpremiere auf der Berlinale 2025 in der Sektion Panorama Dokumente. Für seinen eindrücklichen Film, mit dem er der polnischen Gesellschaft den Spiegel vorhält und auch Themen wie Einsamkeit in einem neuen Land und Diskriminierungserfahrungen, die viele Migrant*innen kennen, nicht ausspart, gewann er u. a. beim Filmkunstfest MV 2025 die Preise für die Beste Kinematographie in einem Dokumentarfilm und für den Besten Dokumentarfilm. – StB

Termine bei filmPOLSKA:
Samstag, 13.09.2025, 20:30 Uhr, Bundesplatz-Kino, Gast: Arjun Talwar
Sonntag, 14.09.2025, 20:00 Uhr, Klick Kino, Gast: Arjun Talwar
Montag, 15.09.2025, 20:00 Uhr, fsk, Gast: Arjun Talwar

LOSS OF BALANCE (OT: UTRATA RÓWNOWAGI)

LOSS OF BALANCE © Dynamo Film
LOSS OF BALANCE © Dynamo Film

Darum geht es:
Schauspielstudentin Maja (Nel Kaczmarek) bereitet mit ihren Kommiliton*innen die Abschlussinszenierung vor. Doch da sie Schwierigkeiten hat, Rollen zu bekommen, ist Maja kurz davor, alles abzubrechen und stattdessen Marketing und Management zu studieren – oder eine eigene Bar zu eröffnen. Als Jacek (Tomasz Schuchardt) als neuer Schauspiellehrer an die Filmschule kommt und MACBETH mit der Abschlussklasse einstudiert, zieht der Regisseur Maja und ihre Mitstudent*innen in ein manipulatives Spiel um Macht hinein, das mehr und mehr außer Kontrolle gerät.

Was du zum Film wissen musst:
In seinem Spielfilmdebüt widmet sich Korek Bojanowski dem Thema Machtmissbrauch an der über die Landesgrenzen hinaus bekannten Schauspielschule im polnischen Łódź. Die Geschichte bezieht sich nicht auf einen konkreten Fall, doch in den letzten Jahren kamen einige, teils lange zurückliegende #MeToo-Fälle an Schauspiel- und Filmschulen in Polen ans Licht, die dem Film noch mehr Relevanz verleihen. Für den intensiven und erschütternden LOSS OF BALANCE gewann Bojanowski u. a. den Preis für das Beste Drehbuch beim Shanghai International Film Festival 2025 sowie mehrere Preise beim Polnischen Filmfestival Gdynia 2024. – StB

Termine bei filmPOLSKA:
Freitag, 12.09.2025, 18:00 Uhr, Thalia Potsdam, Gast: Korek Bojanowski
Samstag, 13.09.2025, 20:00 Uhr, Sputnik, Gast: Korek Bojanowski
Sonntag, 14.09.2025, 19:30 Uhr, City-Kino Wedding, Gast: Korek Bojanowski