Das 41. Interfilm feiert die Widerstandskraft des Kurzfilms

Bam! In your Face! Das ohnehin am Berliner Puls der tobenden Diskurse stattfindende Interfilm hat in Sachen politische Themensetzungen noch mal einen drauf gelegt: „In einer Zeit, die unsere Demokratie täglich testet, in der Freiheit und Meinungsvielfalt auf vielen Seiten unter Druck geraten, ist Film mehr als Unterhaltung. Er wird zum Hebel, zur Versammlung, zur Strategie“, formulieren die Macher*innen in ihrer Pressemitteilung kämpferisch, und erklären den Kurzfilm zum Werkzeug par excellence.
Die 41. Ausgabe, die vom 4. bis 9.11.2025 stattfindet, fokussiert sich auch deshalb unter dem Motto „Weaving Tomorrows“ auf die Frage, wie „wir Solidarität üben, Resilienz entwickeln, Traditionen bewahren und Utopien weben können“ und versucht Antwortannäherungen unter anderem aus den Perspektiven von Indigenen Communities, bislang unsichtbaren FLINTA* Regisseur*innen sowie palästinensischem und syrischen Filmerbe.
Neben den gewohnt prall gefüllten Wettbewerben – der Internationale Wettbewerb mit 8 Programmen, der Deutsche Wettbewerb mit 4 Programmen, der Dokumentarfilmwettbwerb mit 3 Programmen und der Umweltfilmwettbewerb mit 3 Programmen – gibt es einige Specials zu entdecken, die die Berliner Communities wieder zahlreich anlocken dürften. Hier geht es um Körper und Macht, Schwarze Identitäten, queeres Leben und vieles mehr. Auch die Publikumshighlights eject und Sound & Vision dürfen nicht fehlen. Das Animation Media Network, das das Festival of Animation Berlin ausrichtet, kehrt außerdem mit dem Animation Rendezvous #7 zurück und lädt dazu das in der internationalen (Animations)filmszene tourende Shcha7sec ein. Die 7 Sekunden sind hier Programm, und zwar ein absolut atemloses: Knapp 120 Ultrakurzfilme, alle unter sieben Sekunden, werden im Unterfilm gezeigt.
Interfilm wäre außerdem nicht Interfilm, wenn das begeisterte, die meisten ausverkauften Kinos stürmende Publikum nicht umärmelnd eingebunden werden würde: Beim „Sync Frenzy: Synchron Karaoke“ werden ikonische eject Klassiker gezeigt, das Publikum darf dann neu und live auf Deutsch oder Englisch vertonen und der Salon Rouge liefert ein veritables The Movie Pub Quiz.
Den das Kollektiv beschwörenden Trailer hat Matisse Gonzalez mit Jeremy John Wilson gezaubert, der Live-Action mit herrlichen kleinen – und anfangs auch völlig vereinzelten – Charakterchen kombiniert. Erst flüchten sie vor der einsetzenden Dunkelheit, dann halten sie gemeinsam Händchen, als die Sonnenfinsternis beginnt. Gemeinsam Kraft sammeln für den cineastischen Aktivismus!
Marie Ketzscher
Das sind die Empfehlungen aus der BFF-Redaktion.
GOD IS SHY

Darum geht es:
Die Zugfahrt ist sterbenslangweilig. Die Landschaft rauscht sirrend als abstraktes Farbkaleidoskop vorbei, und Ariel und Paul vertreiben sich die Zeit, indem sie füreinander ihre schlimmsten Albträume zeichnen. Bei Paul ist es die auf offener See auf ihn zuschwimmende Mutter, die ihn unter Wasser reißt, bei Ariel die Konfrontation mit einer psychotischen Frau in der Badewanne. Was als Spiel beginnt, entwickelt plötzlich unheimliche Züge, als sich die mitreisende Gilda dazu setzt – und dann davon erzählt, dass ihr das Unheimlichste überhaupt passiert sei…
Was du zum Film wissen musst:
Mit einem unglaublich präzisen Sinn für den Moment, in dem das Profane plötzlich Horrorpotenzial entwickelt, nimmt uns Jocelyn Charles mit auf einen großartigen Psychotrip. Dabei überlässt es der Regisseur dem Publikum, ob man den 2D-animierten Film einfach als pointierte Genre-Unterhaltung schaut, oder ob man die Untertöne mitnimmt: die Hybris, als Mensch ständig Gott spielen und jedes Mysterium aufklären zu wollen, beispielsweise. Eine Hybris, die nicht ohne Folgen bleibt. – MK
Disclaimer: Diesen Text wurde ursprünglich für das DOK Leipzig verfasst, dort feierte GOD IS SHY seine Deutschlandpremiere.
Termine beim Interfilm (Programm: INTERNATIONALER WETTBEWERB – IC 03 Look For… Existential Realities)
05.11.25, 11:00h, Kino & Bar in der Königstadt (Accreditation Only)
06.11.25, 19:00h, City Kino Wedding
08.11.25, 17:00h, Pfefferberg Theater
09.11.25, 20:30h, ACUDkino
RADIX

Darum geht es:
Zwei seltsame Kreaturen treffen sich auf einem Baum. Sie beäugen sich und ertasten sich. Das ultimative Kennenlernen ist aber dann das Masken-Abnehmen: Sie schauen sich wortwörtlich ins Innere, bis der eine vollends in den anderen eintaucht.
Was du zum Film wissen musst:
Anne Breymanns RADIX ist ein herrlich absurd-poetischer Stop-Motion-Film, der seine Faszination nicht nur aus der detaillierten Animation (Äste! Das Fell/die Federn der Kreaturen! Ihr Innenleben!) gewinnt, sondern auch aus der mystisch-geheimnisvollen Natur der Begegnung an sich. Hier finden sich zwei, die vielleicht ähnlich sind, aber unter Umständen auch überhaupt nicht, und die sich bedingungslos auf die Komplexität des jeweils Anderen einlassen, bis ins Wurzelwerk hinein… – MK
Termine beim Interfilm (Programm DEUTSCHER WETTBEWERB – GC 04 Gedankenflüge)
06.11.25, 18:00h, Cinestar Kino in der KulturBrauerei
07.11.25, 19:30h, Pfefferberg Theater
09.11.25, 21:00h, Unterfilm Clubkino
ASPARAGUS

Darum geht es:
Spargelfellatio, Puppenhäuser, die dem Eigenheim ähneln sowie psychedelische Opernperformances und optische Täuschungen. Suzan Pitts surrealistisch-assoziativer ASPARAGUS (1979), in dem Pitt Cut-Out, Cel Animation und Stop-Motion meisterinnenhaft kombiniert, verhandelt wie viele ihre Werke weibliche Autonomie – sexuelles Begehren, häuslicher Alltag und Horrorelemente inklusive.
Was du zum Film wissen musst:
Pitt war Malerin, bevor sie ins Animationsfach wechselte und mehr als 15 Kurzfilme, darunter den beeindruckenden JOY STREET, realisierte. Ihre Werke wurden unter anderem im MOMA und Whitney Museum präsentiert. Sie gilt als eine Pionierin des radikal subjektiv-weiblichen Animationsfilms. – MK
Termine beim Interfilm (Programm: WEAVING TOMORROWS FOCUS 01 New Suns: Feminist Futures, Radical Visions)
05.11.25, 21:30h, Pfefferberg Theater
08.11.25, 18:00h, SİNEMA TRANSTOPIA
ABSEITS – EIN UNGLEICHES SPIEL

Darum geht es:
Von klein auf ist Katja Stirnemann sportbegeistert. Ob Leichtathletik, Fußball oder Schwimmen – Katja gibt alles. Trotzdem muss sie schon bald feststellen, dass die gleichaltrigen Jungs im Sport deutlich stärker gefördert werden als die Mädchen. Katja stellt sich Fragen. Kann sie als Mädchen im Leistungssport überhaupt etwas erreichen?
Was du zum Film wissen musst:
Die Filmemacherin Katja Stirnemann aus der Schweiz stellt in ihrem kurzen Dokumentarfilm Videoaufnahmen von sich selbst als Kind bei Sportwettkämpfen Aufnahmen und Recherchen zur Geschichte von Frauen im Sport gegenüber. Dabei entlarvt sie sexistische Kleidervorschriften, die zum Teil bis heute gelten, die Sexualisierung des weiblichen Körpers in vielerlei Hinsicht sowie Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit von Frauen – und zeichnet ein aufrüttelndes Bild. – StB
Termine bei Interfilm 2025 (Programm: Body Talk – Dance & Choreography):
07.11.2025, 21:00 Uhr, Unterfilm Clubkino 
09.11.2025, 18:00 Uhr, Cinestar Kino in der KulturBrauerei 
CURA SANA

Darum geht es:
Die 14-jährige Jessica ist wütend. Sie ist mit Freundinnen zur San Juan-Feier verabredet, doch ihre Mutter, die in einem Friseursalon arbeitet, zwingt sie, Essen von der Caritas zu holen, bevor ihr gewalttätiger Vater nach Hause kommt. Genervt macht sich Jessica mit ihrer 8-jährigen Schwester Alma auf den Weg. Als die beiden die Zeit vergessen und ein paar junge Männer ihre Lebensmittel aus Spaß ins Meer werfen, lässt Jessica ihren Ärger an Alma aus – bis die einen Satz sagt, der in Jessica nachhallt und sie zum Umdenken bringt.
Was du zum Film wissen musst:
In ihrem Abschlussfilm CURA SANA, der auf der Berlinale 2024 in der Sektion Berlinale Generation seine Weltpremiere feierte und den Gläsernen Bären für den Besten Kurzfilm der Jugendjury gewann, verarbeitet Regisseurin und Drehbuchautorin Lucía G. Romero aus Barcelona eigene Erfahrungen mit häuslicher Gewalt. Darin bleibt sie ganz bei der Perspektive ihrer beiden jungen Heldinnen – den gewalttätigen Vater zeigt sie nicht. Interfilm zeigt CURA SANA nun im Rahmen des European Short Film Audience Award-Programms, da Romero für ihren Film bei ALCINE – Festival de Cine de Alcalà de Henares in Spanien den Publikumspreis gewann. – StB
9 TAGE IM AUGUST

Darum geht es:
Die 18-jährige Lea wird ungewollt schwanger. Sofort ist sie sich sicher, dass sie abtreiben möchte. Doch das ist gar nicht so einfach. Von übergriffigen Belehrungen beim Beratungstermin bis zur verzweifelten Suche nach einem rechtzeitigen Termin lässt die Abiturientin alles über sich ergehen. Zum Glück hat sie eine Freundin an ihrer Seite, die sie unterstützt.
Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin und Drehbuchautorin Ella Knorz von der HFF München nimmt in 9 TAGE IM AUGUST die bürokratischen – und teils sehr rückständigen – Hürden einer Abtreibung in den Blick. Ihr eindrücklicher Film in Retro-Sommer-Ästhetik lief schon auf mehreren Festivals, z. B. beim Filmfestival Max Ophüls Preis und beim Nordic Young Film Festival in Norwegen. – StB